Ausschluss von PFAS in Haftpflichtverträgen: Risikodialoge mit Versicherern bislang erfolgreich

Das von der EU geplante Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) beschäftigt auch die Versicherungswirtschaft. Bereits im September 2023 forderten Versicherer den Ausschluss von Haftpflichtansprüchen wegen PFAS-bedingter Schäden. Die VSMA GmbH setzte sich daraufhin für ein Umdenken ein. Mit Erfolg! In gemeinsamen Risikodialogen mit Versicherern, Rückversicherern und Experten des VDMA konnte eine differenzierte Sichtweise gefunden werden.

PFAS bezeichnet eine Gruppe von mehr als 10.000 stabilen Chemikalien mit besonderen technischen Eigenschaften: Sie sind wasser-, schmutz- und fettabweisend und werden daher in vielen Alltagsprodukten eingesetzt, zum Beispiel zur Beschichtung von Regenjacken oder Pfannen. Auch in der industriellen Produktion werden die positiven Eigenschaften von PFAS in großem Umfang genutzt und finden sich daher in vielen Bauteilen wie Dichtungen und Kabeln wieder. Damit sind PFAS praktisch in jeder Maschine oder Anlage verbaut.
 
Geplantes Verbot von PFAS in der EU
Da PFAS chemisch sehr stabil sind und sie in der Natur kaum abgebaut werden, werden sie auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Die Langlebigkeit ist auch der Grund, warum fünf EU-Mitgliedsstaaten beschlossen haben, einen umfassenden REACH-Beschränkungsvorschlag bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einzureichen. Diese Eingabe könnte zu einem generellen Verbot von PFAS in der EU führen. Der Beschränkungsvorschlag wurde im März 2023 zunächst hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen geprüft, die als erfüllt gelten.

Interessierte Kreise konnten bis zum 25. September 2023 zu dem Beschränkungsvorschlag Stellung nehmen. Mit dem Ende der öffentlichen Konsultation zum Beschränkungsdossier für PFAS hat nun die Bewertung durch die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA für Risikobeurteilung (RAC) und sozioökonomische Analyse (SEAC) begonnen. Hierfür steht eine Frist von 12 Monaten zur Verfügung. Aufgrund der circa 5.600 eingereichten Stellungnahmen ist jedoch davon auszugehen, dass diese nicht eingehalten werden kann. Erst danach wird über eine mögliche Beschränkung von PFAS und deren Umfang – sowie eine gesetzliche Umsetzung – entschieden.

Industrie gegen PFAS-Generalverbot
Ein generelles PFAS-Verbot würde im Maschinen- und Anlagenbau ganze Produktionsprozesse gefährden, da es für viele PFAS-Stoffe derzeit keine Alternativen gibt. Das gilt nicht nur für unverzichtbare Bauteile wie Dichtungen, sondern auch für wichtige Technologien der Energiewende. „Kein Windrad, kein Energiespeicher, kein E-Auto, keine Halbleiter. Ohne per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) lassen sich die Schlüsseltechnologien der Transformation zur Klimaneutralität nicht produzieren und damit die Energie- und Mobilitätswende nicht umsetzen“, warnen die drei großen Industrieverbände VDA (Automobilindustrie), VDMA (Maschinen- und Anlagenbau) und ZVEI (Elektro- und Digitalindustrie) in einer Veröffentlichung (Quelle: VDMA, „Pauschales PFAS-Verbot gefährdet Klimaziele“). Gemeinsam sprechen sich die Industrieverbände gegen das von der EU geplante pauschale Generalverbot von PFAS aus und plädieren für eine differenzierte Betrachtung der über 10.000 Stoffe umfassenden Gruppe.

Tatsächlich ist die vorgeschlagene Beschränkung sehr weit gefasst, es handelt sich um eines der umfangreichsten Beschränkungsdossiers seit Inkrafttreten der REACH-Verordnung. Eine derartig breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, unabhängig vom tatsächlichen Risiko der einzelnen Stoffe, scheint aus Sicht der Industrie nicht angemessen. Hinzu kommen kurze Umsetzungsfristen, die kaum Zeit für die Forschung nach Alternativen lassen. „Die geplante Übergangsfrist von 18 Monaten, bis die Verbotsliste greift, ist zu kurz für industrielle Anwendungen. Schon um die möglichen Alternativen auf Funktionalität und sichere Anwendung zu prüfen, braucht es einen Zeitraum von mehreren Jahren“, heißt es in einer weiteren Veröffentlichung des VDMA (Quelle: VDMA, „PFAS-Verbot bedroht Existenz vieler Maschinenbaubetriebe“).

Haftpflichtversicherer fordern PFAS-Ausschluss
Die anhaltende Diskussion um das PFAS-Verbot beschäftigt auch die Haftpflichtversicherer. Bereits im September 2023 traten mehrere Versicherer mit der Forderung an uns heran, Haftpflichtansprüche wegen PFAS-bedingter Schäden aus den Versicherungsverträgen auszuschließen. Die vorgelegten Musterklauseln waren extrem weit gefasst und hätten alle per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen sowie alle damit zusammenhängenden Schäden erfasst. Dies war für uns als Versicherungsmakler für den Maschinen- und Anlagenbau und Tochter des VDMA nicht akzeptabel.
Daher haben wir das Thema zu einem Schwerpunkt in verschiedenen Publikationen gemacht und die Haftpflichtversicherer auf der kurz darauffolgenden Fachtagung des Gesamtverbands der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. (GVNW) zu einem Risikodialog beim VDMA eingeladen. Durch Gespräche mit der PFAS-Expertin des VDMA, Dr. Sarah Brückner, wollten wir den Versicherern die Möglichkeit geben, sich ein konkretes Bild über den Einsatz von PFAS im Maschinen- und Anlagenbau zu machen.

Risikodialoge mit Erst- und Rückversicherern
Verschiedene Rück- und Erstversicherer haben großes Interesse an einem Austausch über PFAS-Risiken bekundet. Mehrere Treffen haben zwischenzeitlich stattgefunden. In den jeweiligen Risikodialogen wurde deutlich, dass die Versicherungswirtschaft beim Thema PFAS vor allem Umweltschäden im Fokus hat. Gerade bei den am häufigsten verwendeten Fluorpolymeren wie PTFE und FKM besteht die erhöhte Gefahr bei der Herstellung und während des Entsorgungsprozesses. Dies betrifft jedoch den klassischen Maschinen- und Anlagenbau nicht. Hier geht es vor allem um PFAS, die sich als Bauteile in Maschinen befinden und nicht in direktem Kontakt mit der Umwelt stehen.

Bei den Gesprächen hatten die Versicherer viele konkrete Fragen zu den PFAS-Risiken im Maschinen- und Anlagenbau im Gepäck. Den Informationsbedarf der Versicherer konnte die Abteilungsleiterin für Umwelt- und Nachhaltigkeit und VDMA-Expertin für PFAS, Dr. Sarah Brückner, mit ihrer branchenspezifischen Expertise umfassend abdecken. Sie gab detaillierte Einblicke in die spezifische Verwendung von PFAS bei den VDMA-Mitgliedern und ermöglichte so den Versicherern eine Risikobewertung, die sich stärker an der tatsächlichen Verwendung von PFAS in der Branche orientiert. Wir brachten unsere Expertise und Erfahrung zu den damit verbundenen Haftpflichtrisiken ein. Insbesondere konnten wir darauf hinwirken, dass der geplante Komplettausschluss von PFAS für den Maschinen- und Anlagenbau nicht darstellbar beziehungsweise umsetzbar ist.

Zwischenfazit: PFAS-Ausschluss für VSMA-Kunden vorerst vom Tisch
Die bisherigen Risikodialoge haben gezeigt, dass das Thema PFAS für die Versicherer im Bereich der Produkthaftpflichtversicherung für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau derzeit keine Relevanz hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit fehlenden gesetzlichen Regelung. Damit ist der PFAS-Ausschluss für unsere Kunden – zumindest in Deutschland – vorerst vom Tisch.

International wurden wir bereits zum letzten Renewal (2024) von einigen Ländern mit PFAS-Ausschlüssen in lokalen Policen konfrontiert. Für diese konnten wir für unsere Kunden jedoch Deckungen über die jeweiligen deutschen Masterpolicen (DIC) einkaufen.

PFAS-Dialog mit GDV, VDMA und VSMA im Juni 2024
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigte Interesse an einem Austausch. Ende Juni 2024 trafen sich daher Experten von VDMA und VSMA mit Vertretern des GDV, um die PFAS-Problematik zu erörtern. Dabei waren sich alle einig: „Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen sind nicht das neue Asbest“, auch wenn dies in der Presse teilweise so dargestellt wird. Dieses gemeinsame Credo soll die Notwendigkeit unterstreichen, differenziert über die Risiken und den Umgang mit PFAS zu sprechen, anstatt pauschale Ausschlüsse zu vereinbaren.

Gemeinsam mit den Vertretern von GDV und VDMA kamen wir außerdem zu dem Ergebnis, dass eine differenzierte Betrachtung von PFAS wichtig ist, um sowohl die Sicherheit der Verbraucher als auch die Interessen von Industrie und Versicherern zu schützen. Im Vordergrund soll zukünftig eine sachliche und evidenzbasierte Diskussion stehen, die sich an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. 

Das Treffen verlief in einer konstruktiven Atmosphäre und legte den Grundstein für eine weitere Zusammenarbeit. Die Vertreter der Versicherungswirtschaft und der Industrieverbände kündigten an, den Austausch zu intensivieren und regelmäßige Treffen zu organisieren, um aktuelle Entwicklungen zu PFAS zu diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze zu erarbeiten.

Fazit: Risikodialoge zum PFAS-Ausschluss sind der richtige Ansatz

Im Ergebnis zeigt sich, dass gemeinsame Risikodialoge mit Branchen- und Versicherungsexperten bei komplexen Themen wie dem Ausschluss von PFAS genau der richtige Ansatz sind. Der Austausch von Argumenten und Einschätzungen aller Beteiligten hat das gegenseitige Verständnis gefördert. So konnte der PFAS-Ausschluss von allen Seiten beleuchtet und diskutiert werden. In den konstruktiven gemeinsamen Gesprächen wurden schließlich differenzierte Lösungsansätze gefunden, die die Interessen der Industrie und der Versicherer berücksichtigen. Die Fortführung eines offenen Dialogs zu aktuellen Themen ist zudem ein wichtiger Schritt, um das derzeit angeknackste Vertrauen zwischen Versicherungsnehmern und Industrieversicherern wieder aufzubauen.

 

Beitragsbild: fizkes / Shutterstock

Kontakt:
Frau Claudia Sedlacek-Dechert
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
Telefon +49 69 6603-1758
csedlacek[at]vsma.org