Im kommenden Jahr stehen einige wichtige Gesetzesänderungen an, die den Bereich der industriellen und gewerblichen Haftpflichtversicherung wesentlich beeinflussen werden. So wird zum Beispiel die neue europäische Produkthaftungsrichtlinie einige Haftungsverschärfungen mit sich bringen. Außerdem kommen mit der bevorstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie NIS2 in deutsches Recht zahlreiche Cybersicherheitspflichten auf die betroffenen Unternehmen zu.

EU-Produkthaftungsrichtlinie verschärft gesetzliche Haftung
In Kürze wird die neue europäische Produkthaftungsrichtlinie erwartet, die die derzeitige, fast 40 Jahre alte, Richtlinie vollständig ersetzen wird. Veränderte Prozesse bei der Herstellung von Produkten, neue Vertriebswege und Technologien wie etwa der zunehmende Einsatz von Software und Künstlicher Intelligenz machten eine Anpassung unumgänglich.

Die Neufassung der Richtlinie wird den Kreis der Haftenden erheblich erweitern. So kann künftig auch der Betreiber eines Online-Marktplatzes als Hersteller in Anspruch genommen werden, nicht nur wie bisher der Hersteller, der sogenannte Quasihersteller und der EWR-Importeur. Zudem sieht die Richtlinie eine Erweiterung des Fehlerbegriffs vor. Künftig kann ein Produkt beispielsweise auch dann fehlerhaft sein, wenn ein für die Cybersicherheit notwendiges Softwareupdate fehlt.

Ergänzend wird es in Gerichtsverfahren eine Beweiserleichterung für Geschädigte geben, wenn die Beweisführung zum Beispiel aufgrund der technischen Komplexität oder entsprechender Kausalzusammenhänge „übermäßig schwierig ist“ und der Nachweis eines „wahrscheinlichen“ Produktfehlers vermutet werden kann. Auch eine Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln wird im Rahmen der neuen EU-Richtlinie gefordert. Ob damit künftig angloamerikanische Gerichtsverhältnisse – Stichwort „Discovery“ – herrschen werden, bleibt abzuwarten. Spannend wird zudem die Frage, ob und in welchem Umfang Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden müssen.

Neben der bisher im Produkthaftungsrecht vorgesehenen Haftungshöchstgrenze von EUR 85 Millionen soll künftig auch der bisherige Selbstbehalt in Höhe von EUR 500,00 für Sachschäden entfallen.

Die geplanten Änderungen der EU-Produkthaftungsrichtlinie werden unweigerlich zu einer nicht unerheblichen Ausweitung der gesetzlichen Haftung und damit zu einem Anstieg der entsprechenden Schadenzahlungen für die Haftpflichtversicherer führen. Zusammen mit der Inflationsrate und den schon grundsätzlich steigenden Schadenregulierungskosten dürfte dies die Schaden-Kosten-Quote in der Haftpflichtversicherung vermutlich weiter nach oben treiben.

EU-Richtlinie NIS2 tritt voraussichtlich im März 2025 in Kraft
Und damit nicht genug: Neben der Einführung der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie werden den Versicherungsmarkt weitere Änderungen beeinflussen: So muss die neue europäische Richtlinie NIS2 („The Network and Information Security Directive“), die die Cybersicherheit harmonisieren und verbessern soll, bis Oktober 2024 in nationales Recht überführt werden und soll voraussichtlich im März 2025 in Kraft treten.

NIS2 regelt die Cyber- und Informationssicherheit von Unternehmen und Institutionen und erfasst künftig circa 30.000 deutsche Institutionen und Unternehmen. Die Anforderungen und Cybersicherheitspflichten, die mit Inkrafttreten der Richtlinie einhergehen, sind weitreichend. So müssen sich die betroffenen Unternehmen unter anderem mit IT-Sicherheits- und Risikomanagement-Maßnahmen, mit der Kontrolle und Überwachung ihrer IT-Systeme sowie dem Umgang mit Zwischenfällen beziehungsweise der Geschäftskontinuität beschäftigen.

Inwieweit sich hier neue Haftungsfragen ergeben und ob diese die versicherbar bleiben oder zukünftig ausgeschlossen werden – was bei einigen hochsensiblen Haftpflichtversicherern nicht unüblich wäre – ist zum Jahreswechsel glücklicherweise noch kein Thema.

PFAS IN DEN USA
Zum Renewal 2025 erneut thematisiert wurde außerdem das Thema PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) in den USA. Da dieser Ausschluss mittlerweile in lokalen Grunddeckungen standardmäßig vereinbart wird, tragen die deutschen Versicherer der jeweiligen Mastercoverdeckungen das Risiko im Bereich der DIC-Deckungen (Difference in Conditions) mit. Ob diese Vorgehensweise für den Maschinen- und Anlagenbau sinnvoll ist, bleibt jedoch fraglich.

Mehr zum Thema „Ausschluss von PFAS in Haftpflichtverträgen“ lesen Sie hier: https://www.vsma.de/ausschluss-von-pfas-in-haftpflichtvertraegen-risikodialoge-mit-versicherern-bislang-erfolgreich/

 

Beitragsbild: nitpicker | Shutterstock

Kontakt:
Frau Claudia Sedlacek-Dechert
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
Telefon +49 69 6603-1758
csedlacek[at]vsma.org

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