Industrieversicherung in Krisenzeiten: Mehr Kundenorientierung bitte!

Machen wir uns nichts vor: Der globale Krisenmodus ist zum Dauerzustand geworden. Gestörte Lieferketten und Produktionsengpässe gehören ebenso zum Unternehmensalltag wie der Umgang mit steigenden Energie-, Material- und Rohstoffpreisen. Das verändert den Versicherungsbedarf erheblich. Doch statt mutiger neuer Lösungen bieten viele Industrieversicherer nur weitere Ausschlüsse und Prämienerhöhungen. Harte Kante eben. Das Vertrauensverhältnis zu den Unternehmen ist deshalb mittlerweile löchrig wie ein Schweizer Käse. Zeit zum Umdenken – jetzt!

Seit einigen Jahren taumelt die Welt von Krise zu Krise. Die wirtschaftlichen Auswirkungen hierzulande werden nicht so schnell verschwinden und müssen als neue Realität begriffen werden. Das stellt die Betriebe vor Herausforderungen – und sorgt aus Sicht der Versicherungsmakler für einen erheblich veränderten Beratungs- und Versicherungsbedarf.

Betriebsabläufe im Jahr 2023
Die Krisen der vergangenen Jahre haben die betrieblichen Abläufe vom Einkauf über die Produktion und den Transport bis hin zur Montage verändert. Der Materialeinkauf erfolgt längst nicht mehr auftragsbezogen. Wer kann, bevorratet. Auch knappe Transportkapazitäten und Verzögerungen bei der Montage oder Inbetriebnahme lösen zusätzliche, höhere und längere Zwischenlagerungen aus und schaffen außerdem neue Risiken. So halten etwa Verpackungen vielfach den neuen Transportstrapazen nicht mehr stand, und Waren müssen auf Baustellen in unwirtlichen Regionen oft lange gelagert werden.

Halten wir fest, dass wir es heute mit zahlreichen neuen Lagerungen zu tun haben, die das Gesamtvolumen und den Gesamtwert erhöhen. Je nach Strategie natürlich individuell und gerne an verschiedenen Standorten oder sogar in Ländern, die von Sanktionen oder Embargos betroffen sind. Auch die Risiken selbst und ihr Umfang müssen heute in vielen Branchen völlig neu gedacht werden – Stichwort: Rückwirkungsschäden.

Alltag eines Versicherungsmaklers
All dies hat Auswirkungen auf die Kundenberatung. „Sie sollten Versicherungssummen, Haftzeiten und Höchstentschädigungen überprüfen lassen und anpassen“, lautete die Empfehlung des Jahres. Heute decken die vereinbarten Versicherungssummen die tatsächlichen Werte meist nicht mehr ab, und die vereinbarten Höchstentschädigungen passen in vielen Versicherungssparten nicht mehr zur neuen Realität. Auch der Wiederaufbau oder die Wiederherstellung nach einem Brandschaden dauert mittlerweile häufig länger als die vereinbarte Haftzeit in der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung.

Unser Beratungsalltag für den Maschinen- und Anlagenbau und die Mitglieder des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagebau wird dadurch manchmal zur Sisyphusarbeit. Das machen wir gerne. Die Rolle des Hiobsbotschafters bei den jährlichen Renewals gefällt uns hingegen überhaupt nicht. Seit drei Jahren sinken die Kapazitäten, es gibt Prämienerhöhungen, immer mehr neue Ausschlüsse, Änderungskündigungen und zusätzliche Compliance-Anforderungen, die nicht nur bei den Kunden schlecht ankommen. Die strikte Linie einiger Industrieversicherer macht es uns teilweise unmöglich, bedarfsgerechten Versicherungsschutz anzubieten. Das muss sich dringend ändern!

Industrieversicherer in der Pflicht
Der Markt für Industrieversicherungen ist seit Jahren verhärtet. Das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmern und Industrieversicherern wird immer brüchiger. Zahlreiche Großunternehmen denken mittlerweile laut über eine Captive nach. Doch auch diese Entwicklung scheint die Versicherer nicht von ihrer knallharten, mittlerweile nur noch auf Profit ausgerichteten Politik abbringen zu können. Das schadet der gesamten Branche und stellt langfristig sogar die Zukunftsfähigkeit der Versicherungswirtschaft in Frage.

Wo sind die mutigen Akteure, die auf die veränderte Realität mit innovativen Lösungen reagieren, statt jedes neue Risiko auszuschließen oder unbezahlbar zu machen? Wenn wir die globalen Herausforderungen meistern wollen, brauchen wir Absicherungsstrategien, die auch in Krisenzeiten verlässlichen Schutz bieten. Strategien, die sich zuerst an den veränderten Bedürfnissen der Kunden orientieren und nicht an der Rendite. Nur wenn die Assekuranz den Kunden (wieder) in den Mittelpunkt stellt, finden wir zu dem partnerschaftlichen Miteinander zurück, das den Erfolg der Branche seit jeher ausmacht. Packen wir es an – gemeinsam und jetzt!

Ihr Birger Jeurink

 

Bildnachweis: Prostock-studio / Shutterstock

 

 

Kolumnist:

Birger Jeurink

Geschäftsführer VSMA GmbH