Das SZ-Großmaklerdinner 2024 brachte im November führende Versicherer und Makler zusammen, um über die Zukunft der Branche zu diskutieren. Birger Jeurink, Geschäftsführer der VSMA GmbH, sprach dort über die wachsenden Spannungen zwischen Assekuranz und Industrie. Im Interview erklärt er die Ursachen der „Beziehungskrise“ und erläutert, wie die Versicherer das Vertrauen des Mittelstands zurückgewinnen können.

1. Herr Jeurink, welche wichtige Erkenntnis haben Sie beim diesjährigen SZ-Großmaklerdinner mitgenommen?
Die Veranstaltung hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig ein offener Austausch für die Branche ist. Der Konsens war klar: Die Herausforderungen der Zukunft können nur gemeinsam gemeistert werden. Um nachhaltige Lösungen zu finden, muss die Branche enger zusammenarbeiten. Diese Erkenntnis inspiriert und stimmt mich optimistisch.

2. Was waren für Sie die spannendsten Themen, die diskutiert wurden?
Das Themenspektrum war breit gefächert und reichte von den Herausforderungen des Klimawandels und der Polykrisen bis hin zu den Chancen von KI und digitalen Technologien. Auch Themen wie Fachkräftemangel, Konsolidierung und organisches Wachstum standen im Fokus – sie sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit.

3. Sie sprachen in Ihrem Vortrag über die Beziehungskrise zwischen Versicherern und dem Mittelstand. Wo sehen Sie die Hauptursachen für diese Spannungen?
Die Spannungen resultieren aus einer immer größer werdenden Interessendivergenz: Versicherer agieren zunehmend renditeorientiert, was zu steigenden Prämien, sinkenden Kapazitäten und strengeren Auflagen führt. Statt Herausforderungen wie Cyber-, KI-, PFAS- oder Klimarisiken innovativ zu begegnen, greifen viele Versicherer direkt zu Ausschlüssen, anstatt zunächst den Dialog mit den Kunden zu suchen. In der Sachversicherung verschärfen zudem steigende Anforderungen – zum Beispiel an den Brandschutz oder die Resilienz gegen Klimarisiken – die Situation. Viele Unternehmen müssen heute hohe Investitionen tätigen, um überhaupt versicherbar zu bleiben.

Hinzu kommt in fast allen Sparten ein stetig nachlassender Kundenservice der Versicherer, der nicht nur in der Schadenbearbeitung, sondern auch in Verhandlungen zu teilweise erheblichen Verzögerungen führt. Der Mittelstand fühlt sich daher von seinen Versicherungspartnern zunehmend im Stich gelassen. Das muss sich ändern.

4. Was stört Sie persönlich an der derzeitigen Praxis der Industrieversicherer im Umgang mit dem Mittelstand am meisten?
Besonders problematisch finde ich die ständig steigenden Anforderungen an die Versicherbarkeit, die nicht nur ein erheblicher Kostentreiber, sondern auch ein echter „Showstopper“ sind. In einer Zeit, in der die Unternehmen durch hohe Energiepreise, überbordende Regulierung und Fachkräftemangel enorm unter Druck stehen, werden durch diese Auflagen und die damit verbundenen Investitionen zusätzliche Hürden aufgebaut, die viele Unternehmen über ihre Belastungsgrenze bringen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie wird dadurch weiter geschwächt.

Darüber hinaus bremst diese Praxis den dringend notwendigen Fortschritt aus. Investitionen in Zukunftstechnologien wie Photovoltaik oder AutoStore-Systeme, die auch für das Erreichen der Klimaziele unerlässlich sind, unterbleiben inzwischen teilweise, weil zusätzliche Auflagen der Versicherer sie unwirtschaftlich machen. Damit wir in Deutschland einen zukunftsorientierten Investitionsboom erleben, ist nicht nur die Politik gefordert. Auch die Versicherungswirtschaft muss viel enger mit dem Mittelstand zusammenarbeiten – und nicht gegen ihn.

5. Was unternimmt die VSMA, um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Industrieversicherern wieder zu verbessern?
Die VSMA versteht sich als Brückenbauer zwischen Maschinenbauern und Versicherern. Wir setzen uns kontinuierlich für einen offenen Austausch ein, der das gegenseitige Verständnis fördert und zukunftsorientierte Ergebnisse ermöglicht. Ein Beispiel dafür ist unsere Vermittlerrolle bei der Diskussion um den PFAS-Ausschluss. Gemeinsam mit dem VDMA und verschiedenen Versicherern konnten wir in erfolgreichen Risikodialogen eine tragfähige Lösung erarbeiten.

6. Welche Lösungsansätze sehen Sie, um die Beziehung zwischen Versicherern und Unternehmen langfristig zu stärken?
Der Schlüssel zu einer besseren Beziehung liegt in einer engeren Zusammenarbeit. Nur wenn die Assekuranz den Kunden wieder in den Mittelpunkt stellt, werden wir zu dem partnerschaftlichen Miteinander zurückfinden, das den Erfolg der Branche ausmacht. Insbesondere gegenüber dem Mittelstand, dessen Vertrauen stark gelitten hat, müssen die Versicherer ihre Servicequalität und Prozesse deutlich verbessern.

Gleichzeitig sind flexible Versicherungslösungen gefragt, die die spezifischen Risiken mittelständischer Unternehmen realistisch abbilden. Dies erfordert vor allem einen kontinuierlichen und offenen Dialog zwischen Versicherern und Kunden. Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel hin zu echter Partnerschaft: Nur durch den Austausch von Fachwissen, Erfahrung und Daten können wir langfristig robuste Lösungen entwickeln, die den dynamischen Anforderungen der Wirtschaft gerecht werden – zum Vorteil aller Beteiligten.

Über die VSMA GmbH
Seit 1926 konzentriert sich die VSMA als Branchenspezialist auf die Risikolandschaft des Maschinen- und Anlagenbaus. Als unabhängiger Versicherungsmakler unterstützt sie mehr als 1.100 Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus bei der effizienten Absicherung ihrer Risiken. Als 100%ige Dienstleistungstochter des VDMA agiert sie zudem als eigene Versicherungsabteilung des Verbandes und berät die VDMA-Mitgliedsunternehmen umfassend in Risiko- und Versicherungsfragen. Neben kundenorientierten Beratungs-, Betreuungs- und Serviceleistungen zählt die Entwicklung eigener innovativer Versicherungslösungen zu den Kernkompetenzen der VSMA – passgenau zugeschnitten auf die Anforderungen des Maschinen- und Anlagenbaus.

 

Beitragsbild: Süddeutsche Zeitung

 


Kontakt:
Birger Jeurink
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
Telefon +49 69 6603-1521
bjeurink@vsma.org

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