Leitungswasserschäden: Vertragliche Kontrollpflichten bei leer stehenden Gebäuden

Schäden, die durch undichte Wasserleitungen entstehen, können beträchtlich sein. Die meisten Unternehmen haben daher Leitungswasserschäden umfassend versichert. Tritt der Schaden jedoch in einem leer stehenden Gebäude auf, sind zusätzliche Obliegenheiten zu beachten. Anderenfalls kann der Versicherer seine Leistung kürzen, wie Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler, Berater der VSMA GmbH, anhand von Fallbeispielen erläutert.

Ein Leitungswasserschaden liegt vor, wenn Leitungswasser unkontrolliert (bestimmungswidrig) aus Wasseranlagen austritt. Dies gilt für Zufluss- und Abflussrohre, Anschlüsse an Wasch- und Spülbecken, Spül- und Waschmaschinen sowie Heizungsrohre. Die Versicherer unterscheiden in ihren Versicherungsbedingungen, ob sich die Rohre innerhalb oder außerhalb von Gebäuden befinden. Leitungswasserschäden sind abzugrenzen von sonstigen Wasserschäden, zu denen auch Sachschäden durch Überflutung, Rückstau oder Löschwasser zählen.

Für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalls ist nicht der Beginn des schädigenden Vorgangs, sondern die Entdeckung des Schadens maßgeblich.

Überprüfungspflichten bei leer stehenden Gebäuden
Bei Leitungswasserschäden in leer stehenden Gebäuden treten häufig Regulierungsprobleme auf. Denn mit dem Leerstand eines Gebäudes treffen den Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung vertragliche Folgepflichten. Beispielsweise ist in § 27 Nr. 1 c VGB 2006 festgelegt, dass der Versicherte nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile ausreichend oft zu kontrollieren hat. Darüber hinaus sind alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Eine längere Zeit des Leerstands erhöht das Risiko, dass während einer Frostperiode Rohrbrüche infolge mangelnder Beheizung entstehen.

Beispielsfälle zu Kontrollpflichten während einer Dauerfrostperiode
Im ersten Fallbeispiel meldete der Versicherungsnehmer dem Gebäudeversicherer vertragsgemäß den Leerstand. Dieser wies den Versicherten ausdrücklich auf seine vertraglichen Obliegenheiten hin. Es kam, wie es kommen musste. Zwischen den Weihnachtsfeiertagen setzte Dauerfrost ein, der zu einem Frostbruch führte. Da die Wasserleitungen nicht abgesperrt und entleert waren, trat Leitungswasser in großen Mengen aus und verteilte sich im ganzen Haus. Der Versicherer rügte eine mangelnde Kontrolle und kürzte die Leistung.

Nach Ansicht des Versicherers lag eine Obliegenheitsverletzung vor, da die letzte Kontrolle 10 Tage vor Feststellung des Schadens stattgefunden hatte. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Obliegenheitsverletzung kann im schlimmsten Fall zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Allerdings darf eine Gefahrerhöhung nicht schematisch angenommen werden. Auch dann nicht, wenn der Leerstand in eine Frostperiode fällt. Vielmehr ist stets eine Gesamtabwägung der gefahrerheblichen Umstände vorzunehmen, bei der insbesondere auch eine Risikoverringerung durch die Nichtnutzung von Räumen einzubeziehen ist. Insgesamt ging der Versicherer im vorliegenden Fall jedoch von einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung aus und erstattete nur 30 Prozent des Schadens.

In einem vergleichbaren Fall hat das OLG Koblenz am 29. April 2020 (Az. 10 U 2170/19) entschieden, dass bei Dauerfrost eine Kontrollpflicht besteht, die eine Innenkontrolle alle zwei bis drei Tage erfordert. Die nach der Verhaltensklausel auferlegten Pflichten zum Absperren und Entleeren wasserführender Anlagen sind kumulativ zu erfüllen. Die Erfüllung der einen, nicht aber der anderen Verhaltenspflicht genügt damit nicht.

Wird die Leistung wegen einer Obliegenheitsverletzung gekürzt, steht dem Versicherten der Gegenbeweis offen, dass die Verletzung weder auf die Feststellung noch auf den Umfang der Leistung Einfluss gehabt hat. Der Versicherte kann beweisen, dass ihn kein oder nur ein geringeres Verschulden trifft. Im vorliegenden Fall hatte der Versicherungsnehmer sogar bewusst auf die Entleerung der Leitungen verzichtet. Eine Sanitärfirma hatte ausdrücklich davon abgeraten, da sonst bei einer Wiederinbetriebnahme die Gefahr der Legionellenbildung bestanden hätte.

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das OLG Hamm (Urteil vom 27. April 2012 – Az. 20 U 144/11) die Leistungspflicht des Versicherers auf Null gekürzt. Nach den Feststellungen des OLG Hamm war dem Versicherungsnehmer bewusst, was zur Vermeidung von Frostschäden erforderlich ist. Gleichwohl habe er keine Schutzmaßnahmen ergriffen. Dies könne nur zu einer vollständigen Kürzung seines Anspruchs gemäß § 81 Abs. 2 VVG führen.

Fazit:
Gerade vor dem Hintergrund dieser teils drastischen Rechtsprechung sollte sich der Versicherungsnehmer intensiv mit seinen vertraglichen Obliegenheiten im Falle des Leerstandes eines Gebäudes auseinandersetzen. Das betrifft nicht nur die Vermeidung möglicher Leitungswasserschäden. Auch das erhöhte Risiko von Schäden durch Vandalismus oder Brandstiftung muss berücksichtigt werden. Für Versicherer ist der Leerstand mit einer grundsätzlich nachvollziehbaren Gefahrerhöhung verbunden.

 

Beitragsbild: Andrey_Popov / Shutterstock

Autor:
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler 
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler steht der VSMA GmbH seit Mitte des Jahres 2020 als juristischer Berater bei haftungs- und versicherungsrechtlichen Themen zur Seite. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Bearbeitung von Sach-/BU- und Produkthaftungsschäden vor allem Fälle im Bereich der D&O- und VSV-Versicherung sowie der dazugehörigen Managerhaftung.

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