Die Kfz-Sparte schreibt tiefrote Zahlen. Als Reaktion darauf hat nun ein Versicherer die Preise in Teilen des Bestandes um 50 Prozent erhöht. Einige Wettbewerber applaudieren – wir als Makler nicht. Anpassungen in dieser Höhe sind weder nachvollziehbar noch vermittelbar und belasten das angespannte Verhältnis zwischen Kunden und Versicherern erneut. Es bleibt zu hoffen, dass ein solches Vorgehen jetzt nicht Schule macht.
2023 war ein Krisenjahr für die Kfz-Versicherer. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) summierte sich das Defizit auf 2,5 Milliarden Euro, die Schaden- und Kostenquote im Kfz-Geschäft lag branchenweit bei 110 Prozent. Steigende Prämien in der Kfz-Versicherung sind daher verständlich – aber bitte mit Augenmaß! Schließlich werden die Verluste bei einigen Marktteilnehmern zumindest teilweise auch durch hohe Kosten im eigenen Haus auf das derzeit bedenkliche Niveau getrieben.
Fehleinschätzungen, Kostenquote und Corona-Gewinn
Zugegeben: Der Hauptgrund für die roten Zahlen in der Kfz-Sparte sind die hohe Inflation und die immens gestiegenen Reparaturkosten. Ersatzteile und Werkstätten sind heute um ein Vielfaches teurer. Lieferengpässe schlagen sich zudem in hohen Nutzungsausfallkosten für die Versicherer nieder. Hinzu kommen Unwetterschäden, insbesondere mehr und heftigere Hagelereignisse, die naturgemäß eine große Anzahl von Versicherungsnehmern treffen. Die Kfz-Schadenregulierung wird damit auch in Zukunft teurer werden.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die aktuellen Verluste bei einigen Marktteilnehmern auch auf hausgemachte Probleme zurückzuführen sind. Viele Kfz-Versicherer haben das nach der Pandemie rasant steigende Verkehrsaufkommen unterschätzt und ausscheidende Mitarbeitende nicht ersetzt. Dies führte zu teilweise extremen Rückständen in der Schadenbearbeitung und damit zu Überstunden, die nicht nur die Kostenquoten unnötig in die Höhe trieben. Die Rückstände wirkten sich auch über höhere Mietwagen- und Ausfallkosten zusätzlich auf die Schadenquoten aus.
Bei der Prämienkalkulation der nun defizitären Sparte sollten zudem die Gewinne der Vorjahre nicht vergessen werden. Nach einer Analyse der General Reinsurance (Gen Re) hat die Corona-Pandemie den Autoversicherern hierzulande einen Sondergewinn von 5,8 Milliarden Euro beschert. Die Schwankungsrückstellungen aus dieser Zeit dürften also die bisherigen Verluste ausgleichen. Einige Versicherer kommunizieren dies auch offen und erhöhen die Prämien daher nur in angemessenem Umfang. Ein Weg, der den Versicherungsnehmern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Stabilität signalisiert.
Vernunft, Bestandsschutz und neue Modelle
Es ist verständlich, dass bei anhaltenden Verlusten im Kfz-Geschäft Prämienerhöhungen unumgänglich sind. Ein Anstieg um 50 Prozent ist jedoch nicht vermittelbar und bringt unserer Branche nur eines: verärgerte Industriekunden, die sich nach anderen Lösungen umsehen, Stichwort Captive. Schrittweise Prämienanpassungen sollten daher das Gebot der Stunde sein – vor allem im Bestand. Schließlich ist dieser durch die leider gängige Praxis, dort zuerst an der Preisschraube zu drehen, um das Neugeschäft günstig zu halten, bereits seit Jahren in vielen Fällen über Gebühr belastet.
Auch neue Wege im Mittelstand könnten die Verluste verringern. So wird bei großen Flotten sogar im Haftpflichtbereich oft ein Selbsttragungsmodell vereinbart. Dabei übernimmt der Versicherungsnehmer die Aufwendungen für alle im Versicherungsjahr anfallenden Schäden bis zu einer festgelegten Höhe selbst. Eine vorgezogene Rückkaufsvereinbarung, die Steuern spart. „Die von uns betreuten Mitgliedsunternehmen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sind meist mittelständisch geprägt und haben 30 bis 50 Fahrzeuge im Fuhrpark. Hierfür wird ein solches Modell bisher nicht angeboten, obwohl es durchaus attraktiv sein könnte“, meint unser Leiter Spartenkoordination, Patrick Römer. Weitere noch relativ neue Lösungen wie Telematik können sich ebenfalls positiv auf die Schadenquote auswirken.
Ganz oben auf der Agenda vieler Versicherer sollte aber die Prozessoptimierung stehen. Die durchschnittliche Kostenquote der Kfz-Versicherer liegt bei 17 bis 18 Prozent. Das ist zu hoch. Erst wenn diese Quote auf ein akzeptables Niveau gebracht wurde, können wir unseren Kunden die nächste Kfz-Prämienanpassung nachvollziehbar erklären. Vorher leider nicht.