Klimaziele versus Brandschutz: Zu hohe Anforderungen der Sachversicherer?

Solarpflicht, Förderung der E-Mobilität, Energieeffizienz: Wer heute ein Gewerbegebäude errichtet oder modernisiert, muss neben den komplexen baurechtlichen Vorschriften viele neue Gesetze beachten. Doch selbst wenn alle Vorgaben erfüllt sind, ist das Projekt noch lange nicht von den Sachversicherern abgesegnet. Denn deren Brandschutzanforderungen gehen oft weit darüber hinaus und bremsen so mitunter bei den Kunden die zu erreichenden Klimaziele und den Fortschritt aus. Damit die Industrie hier und nicht woanders investiert, müssen jetzt Kompromisse gefunden werden!

Wer in Deutschland investieren will, hat es nicht leicht. Die Schuld daran wird meist bei der Politik gesucht. Aber auch die Assekuranz spielt eine Rolle. Schließlich müssen die neuen, energieeffizienten und klimaschonenden Gebäude/Anlagen versichert werden – und das wird immer herausfordernder. Die Anforderungen der Sachversicherer an den Brandschutz sind immens gestiegen und zum Teil baulich sowie wirtschaftlich schwer umsetzbar.

Forderungen der Sachversicherer steigen kontinuierlich
Für die Mitgliedsunternehmen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) können die finanziellen Folgen eines Brandes existenzbedrohend sein. Das Risiko muss daher umfassend abgesichert werden. Leichter gesagt, als getan, wie unsere Leiterin Sachversicherungen, Nina Becker, berichtet. Die Sachversicherer stellen zunehmend hohe und pauschale Anforderungen an den Brandschutz, die wir teilweise für überzogen halten. Kompromisse werden oft erst nach langen Verhandlungen gefunden.

So wird häufig der Einbau flächendeckender Brandmeldeanlagen gefordert, obwohl dies etwa nach den Landesbauordnungen nicht immer erforderlich ist. Ähnlich verhält es sich mit Sprinkleranlagen: Wenn ein Unternehmen eine Autostore-Anlage nachrüstet oder eine bestimmte Lagerhöhe überschreitet, muss zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes eine Sprinkleranlage her. In einem Fall haben wir bei 15 Versicherern angefragt, ob sie eine Autostore-Anlage absichern würden, die statt mit einer Sprinkleranlage „nur“ mit Kleinlöschanlagen für die Ladeplätze der Roboter nebst weiteren präventiven Maßnahmen ausgerüstet ist. Nur zwei waren bereit, sich zu beteiligen. Mit sehr geringen Kapazitäten. Dabei handelte es sich nicht um ein Lager mit Tausenden von Quadratmetern, sondern um eine Anlage zur Versorgung der Produktion.

Brandschutzanforderungen bremsen Investitionen
Die wachsenden Brandschutzanforderungen der Sachversicherer führen nicht nur zu Empörung bei den Unternehmen, sondern auch zu Verzögerungen und Mehrkosten. So kommt es nicht selten vor, dass bei Neubauten die Genehmigungen vorliegen und das Brandschutzkonzept erstellt ist, bevor der Maßnahmenkatalog des Versicherers eintrifft. Dieser enthält dann mitunter Brandschutzvorgaben, die das Projekt auf den Kopf stellen.

In jüngster Zeit wird zum Beispiel gerne auf die Verwendung nicht brennbarer Baustoffe nach DIN 4102 und EN 13501 bestanden. Diese haben jedoch eine höhere Mindestschichtdicke als die gesetzlich vorgeschriebenen Dämmungen, die üblicherweise eingeplant werden. Bei Verwendung der vom Versicherer geforderten Baustoffe reicht die Statik dann oft nicht mehr aus, insbesondere wenn eine Photovoltaik-Anlage installiert werden soll. Die Folge: Der Neubau wird teurer, die PV-Anlage wirtschaftlich unattraktiv. Auch andere sinnvolle Investitionen wie E-Ladesäulen oder automatische Kleinteilelager (zum Beispiel Paternoster oder Autostore-Anlagen) werden durch hohe Brandschutzanforderungen letztlich teurer und damit weniger interessant.

Versicherungswirtschaft und Politik im Dialog
„Bei allem Verständnis für die große Bedeutung des Brandschutzes: Die Forderungen der Sachversicherer gehen teilweise zu weit. Die Versicherbarkeit von Unternehmen darf nicht zulasten der Klimaziele, der wirtschaftlichen Machbarkeit oder der Weiterentwicklung der Unternehmen gehen", sagte Nina Becker kürzlich. Recht hat sie! Um die Energiewende zu meistern, brauchen wir nach Ansicht von Wirtschaftsexperten einen regelrechten Investitionsboom – und der ist bislang nicht in Sicht.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es an der Zeit, dass sich Bauherren, Politik und Versicherer an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten, um Investitionen für Unternehmen attraktiver zu machen. Nur durch einen stetigen offenen Dialog, der insbesondere bei entsprechenden Gesetzesvorhaben auch die Bedenken der Versicherer und die Anliegen der Bauherren berücksichtigt, können Kompromisse gefunden werden, die allen Interessen gerecht werden. Klimafreundliche Investitionen werden nur dann einen Boom erleben, wenn sie wirtschaftlich attraktiv – und versicherbar! – sind.

 

 

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Kolumnist:

Birger Jeurink

Geschäftsführer VSMA GmbH