Im Maschinen- und Anlagenbau sind viele Unternehmen international aufgestellt. In der Montageversicherung ist daher meist ein weltweiter Deckungsumfang gefragt. Dabei stellt sich oft die schwer zu beantwortende Frage, ob der Versicherungsschutz mit den lokalen Gesetzen vereinbar ist. Im zweiten Teil des Beitrags steht die komplexe Welt der Compliance im Mittelpunkt.
Ist es eigentlich richtig, davon auszugehen, dass ein weltweiter Versicherungsschutz gegen lokale Gesetze verstößt? Diese Frage ist pauschal schwer zu beantworten, aber die häufig vorgebrachten Argumente sind durchaus kritisch.
Compliance
Meist wird argumentiert, dass eine Versicherung aus Deutschland gegen lokale aufsichts- oder steuerrechtliche Bestimmungen verstößt. Gleichzeitig werden aber nicht die lokalen Vorschriften zur Bewertung herangezogen, sondern die in Deutschland beziehungsweise der EU geltenden Regeln ohne nähere Prüfung auf andere Länder übertragen. Ob dies im konkreten Einzelfall richtig ist, wird hierbei nicht geprüft. Viele Länder kennen ein völlig anderes Belegenheitsprinzip, bei dem nicht die Sache, sondern der Wohn- oder Geschäftssitz des Versicherungsnehmers die Belegenheit begründet.
Gefährlich ist auch, dass bei den Versicherern oft das Bild entsteht, dass eine Einheit vor Ort begründet wird. Es ist jedoch im Mittelstand eher selten der Fall, dass in rund 200 Ländern der Erde Firmenmäntel oder gar operative Einheiten aufrechterhalten werden.
Dieses Gesamtbild führt auch zu einer Fehlinterpretation der Versicherungssteuerpflicht, die in solchen Fällen nicht immer auf den Drittstaat übergeht. In der Regel wird der Versicherungsnehmer unabhängig davon, ob er im Ausland versicherungssteuerpflichtig ist oder nicht, seinen Versicherungsbeitrag zusätzlich auch in Deutschland versteuern müssen. Eine Aufklärung hierüber erfolgt nach unseren Erfahrungen häufig nicht.
Betriebsstätte: Viele Versicherer argumentieren, dass ein Risiko für sechs Monate nicht lokal belegen ist. Dabei handelt es sich um eine Übertragung von innerhalb der EU geltenden Gepflogenheiten auf andere Rechtskreise.
Aus Sicht der VSMA ist dies ein falscher Ansatz. Vielmehr sollte man davon ausgehen, dass ein Risiko erst dann lokal belegen ist, wenn es eine steuerliche Betriebsstätte begründet. Dieser Begriff ist bereits seit über 100 Jahren international geregelt. Danach erfordert das Vorliegen einer Betriebsstätte die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit außerhalb des Ansässigkeitsstaates des Unternehmens, ein Mindestmaß an physischer Präsenz und örtlicher Verankerung, verbunden mit einer hinreichenden Verfügungsmacht über eine vom Gegenstand der Tätigkeit getrennte Einrichtung.
Mit der Begründung einer Betriebsstätte vor Ort geht in der Regel eine steuerliche Registrierung und damit eine Steuerpflicht im Land einher. Zwar gibt es zunehmend Tendenzen, die Anforderungen an eine steuerliche Betriebsstätte zu reduzieren. Die Praxis zeigt jedoch, dass Projekte des mittelständischen Maschinen- und Anlagenbaus nur selten eine solche Betriebsstätte begründen.
Montagebetriebsstätten begründen sich in der Regel nach einer Frist von 12 Monaten. Dabei ist zu beachten, dass diese Frist nicht mit der Haftzeit in der Montageversicherung identisch ist. Die für Bau- und Montagebetriebsstätten relevante Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Arbeiten auf der Baustelle aufgenommen werden. Die Frist kann – zum Beispiel durch Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber trotz vertragsgemäßer Erfüllung – gehemmt werden. Eine Bauausführung oder Montage besteht so lange, bis die Arbeiten abgeschlossen oder endgültig eingestellt worden sind. Der Probebetrieb vor Übergabe der Anlage ist in die Frist ebenso einzurechnen wie die unverzügliche Beseitigung von bei der Abnahme festgestellten Mängeln, ohne deren Behebung der Betrieb der Anlage nicht möglich ist.
Allerdings werden mit den einzelnen sogenannten DBA-Partnern (DBA = Doppelbesteuerungsabkommen) individuelle Vereinbarungen getroffen, sodass sich die Details von Land zu Land unterscheiden können.
Hier ist eine lösungsorientierte Diskussion, statt voreiliger Vorsicht gefragt. Es ist leicht, die Versicherung eines Projekts im Ausland von Deutschland aus mit dem Hinweis auf „Compliance“ abzulehnen. Hilfreich ist dieser Ansatz jedoch nicht. Klar ist, dass die Mitversicherung der Interessen des Bestellers gesondert zu betrachten ist und nicht in die Deckung einbezogen werden kann.
Belegenheit: Es lohnt sich aber auch, einen Blick in die lokalen versicherungsaufsichtsrechtlichen Bestimmungen zu werfen. Als Beispiel sei hier angemerkt, dass nicht alle Länder (zum Beispiel Australien) eine Definition der Belegenheit kennen (Quelle: AXCO). In solchen Ländern greifen daher die Ansätze, auf denen eine typische auf Compliance-basierte Ablehnung des Versicherers beruht, erst gar nicht.
Widersprüchliches Recht: Die Komplexität der Frage, wo zu versichern ist, zeigt sich daran, was passiert, wenn man mit zwei widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert wird. Konkret, wenn das Land des Lieferanten verlangt, dass Versicherungen von „Unternehmen mit Sitz im Land“ auch dort abgeschlossen werden müssen, und das Land des Bestellers gleichzeitig fordert, dass „Sachen im Land“ auch dort zu versichern sind.
Exkurs: Frage zum Verständnis
Wo versichern wir, wenn ein Unternehmen aus China eine Maschine innerhalb Deutschlands betreibt – zum Beispiel bei einem Subunternehmer? Die Antwort, die wir schon oft erhalten haben, ist gar nicht so falsch „Die Maschine in Deutschland, den Chinesen in China“. Hilfreich ist diese Antwort zwar nicht, zeigt aber zumindest die Problematik plakativ auf.
Nur wenige Länder haben ihre „non admitted“-Regelungen auf diesen Sonderfall vorbereitet. Ein Beispiel hierfür ist Serbien (im „Decree on Determining the Risks which may be Insured or Reinsured with Foreign Insurance and Reinsurance Companies – Official Gazette No 56/2015).
Dieses regelt, frei übersetzt, dass vom generellen Verbot der nicht zugelassenen Vermittlung ausgenommen sind:
Versicherungen für Bau- und Montagearbeiten, die von inländischen Unternehmen im Ausland ausgeführt werden, und die Ausrüstung für diese Arbeiten, sofern die nicht zugelassene Versicherung im Vertrag oder in den Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Auftrag ausgeführt wird, vorgesehen ist.
Problem „Lokalpolice“: Am Markt beobachten wir den Trend, immer mehr Projekte deutscher Unternehmen über lokale Policen im Land des Endkunden abzusichern. Dies bietet zwar vermeintlich eine hohe Compliance-Sicherheit, stellt die Versicherungsnehmer aber gleichzeitig vor große Herausforderungen.
Exkurs: Beispielsfall aus der Praxis
Das Praxisbeispiel ereignete sich in Marokko. Hier hatte ein Kunde aus der EU eine Montageversicherung für ein Projekt bei einem lokal zugelassenen Versicherer (Frontingpartner) abgeschlossen. Die Projektpolice wurde auf den Versicherungsnehmer mit der Baustellenadresse als Anschrift ausgestellt. Die Prämienzahlung erfolgte aus dem Ausland auf das Konto des lokalen Versicherers. Eine (steuerliche) Betriebsstätte bestand nicht. Die Versicherung wurde vom Besteller in dieser Form vertraglich vorgeschrieben.
Die Abwicklung des Schadenfalls zog sich aufgrund sprachlicher Differenzen in die Länge. Alle Unterlagen waren in deutscher Sprache und mussten zumindest ins Englische, teilweise ins Französische übersetzt werden. Schließlich weigerte sich der Versicherer – unter Berufung auf lokales Recht – die Entschädigung auf ein ausländisches Bankkonto zu überweisen. Gleichzeitig war es mangels Registrierung nicht möglich, ein Konto vor Ort zu eröffnen.
Zwar konnte der Vorgang mithilfe eines lokalen Vertriebspartners, der die Entschädigungszahlung entgegennahm und weiterleitete, gelöst werden. Insgesamt hat dies aber über zwei Jahre gedauert. Ohne einen lokalen Partner und einen guten Steuerberater für die spätere Transaktion vom Partner zum europäischen Kunden, wäre der Vorgang völlig ins Leere gelaufen. Die Konditionsdifferenz- und Schutzversicherung im Mastervertrag hätte diesen Fall nicht erfasst.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig eine gute Konditionsdifferenz- und Schutzversicherung (KDS) ist. Verträge, die das Transferrisiko nicht in der KDS mitversichern und keine Vorleistungspflicht aus der KDS vorsehen, können bei Großschäden existenzbedrohend sein.
Fazit
Montageversicherungsverträge für den Maschinen- und Anlagenbau sind komplex und bedürfen einer sehr individuellen Vertragsgestaltung. Dabei sind die jeweiligen Anforderungen des Kunden in den Vordergrund zu stellen.
Besonders kritisch sehen wir derzeit den Trend, dass immer weniger Versicherer bereit sind, ihre Kunden – unter Verweis auf (falsch oder richtig verstandene) Compliance – weltweit zu begleiten.
Es ist an der Zeit, die Kundeninteressen wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen und nach Lösungen zu suchen, statt Bedenken in den Vordergrund zu stellen. Die VSMA steht – stellvertretend für ihre Kunden und die VDMA-Mitgliedsunternehmen – jederzeit für einen offenen Dialog zur Verfügung.
Dieser Artikel wurde bereits veröffentlicht in: „Die VersicherungsPraxis“, Ausgabe 05/24.
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Kontakt:
Herr Patrick Römer
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
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