Der Höchstrechnungszins und damit in der Regel auch der Garantiezins sank zum 01.01.2022 deutlich von 0,9 auf 0,25 Prozent. Auch die Direktversicherung ist vom Niedrigzinsumfeld betroffen. Als Reaktion auf diese Zinsentwicklung wird am Versicherungsmarkt voraussichtlich bald nur noch die beitragsorientierte Leistungszusage, BOLZ, angeboten. Wir informieren über die diesbezügliche Rechtslage und geben Praxistipps.
Der Garantiezins gibt an, mit wie viel Prozent eine Versicherung die Beiträge ihrer Kunden durchgängig bis zum Vertragsende verzinsen muss. Für die Leistungen aus einer Lebensversicherung ist in erster Linie nicht der Garantiezins entscheidend, sondern die Gesamtverzinsung. Aber bei Versicherungstarifen mit Anlage der Beiträge im Sicherungsvermögen ist auch die Gesamtverzinsung nicht vom Zinsverfall verschont geblieben. So beträgt die durchschnittliche laufende Gesamtverzinsung deutscher Lebensversicherer in 2021 nur mehr 2,13 Prozent.
Auswirkungen der Zinsentwicklung auf die bAV – Beispiel Direktversicherung
Auch der von Unternehmen für die Entgeltumwandlung am meisten genutzte Durchführungsweg, die Direktversicherung, ist vom Niedrigzinsumfeld betroffen. Als Reaktion auf diese Zinsentwicklung wird am Versicherungsmarkt voraussichtlich bald nur noch die beitragsorientierte Leistungszusage, BOLZ, (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) angeboten. Bei dieser Lösung werden 90 oder gar nur 50 bis 60 Prozent der eingezahlten Beiträge als Garantiekapital bei Rentenbeginn zugesagt. Aus dem Garantiekapital wird die Garantierente berechnet. Diese Neuerung soll es ermöglichen, dass ein größerer Teil des Versicherungsbeitrages in chancenreichere Kapitalanlagen wie Aktien, Unternehmensanleihen oder alternative Anlageklassen wie erneuerbare Energien und Infrastrukturprojekte investiert werden kann. So sollen für die Versicherten bessere Gesamtleistungen erreicht werden. Je länger die Laufzeit des Vertrages ist, desto vorteilhafter könnte sich die neue Anlagestrategie auswirken. Bei kurzen Vertragslaufzeiten von weniger als 10 Jahren muss in der Regel noch auf einen konservativen Tarif zurückgegriffen werden. Die Versicherer erreichen das zugesagte Garantieniveau mittels einer Anlagesteuerung. In der Regel werden die Beiträge zwischen sicherer Anlage (Sicherungsvermögen) und chancenorientierter Anlage aufgeteilt und im Zeitverlauf umgeschichtet.
Garantieniveau unter 100 Prozent – eine Haftungsfalle für Arbeitgeber?
Die Einführung neuer Garantieniveaus (90, 80, 60 Prozent) führt zwangsläufig zur Frage, ob sich bei einem Garantieniveau von unter 100 Prozent eine arbeitsrechtliche Haftungsfrage für die Arbeitgeber stellt. Nach der mittlerweile herrschenden Meinung (BAG-Urteil vom 30.08.2016, 3 AZR 361/15) ist eine Mindestleistung, zum Beispiel in Höhe der Beitragssumme, bei der BOLZ nicht notwendig. Die Versicherungsbedingungen müssen aber bereits bei Umwandlung von Beiträgen in eine Anwartschaft festlegen, welche Höhe die späteren Leistungen im Versorgungsfall haben. Diese Bedingung lässt sich auch bei einem Garantieniveau unter 100 Prozent erfüllen.
Bei der Entgeltumwandlung ist allerdings ergänzend zu beachten, dass dem Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG eine „wertgleiche“ Zusage auf Basis seiner Umwandlungsbeträge erteilt werden muss. Nach dem BAG-Urteil vom 15.09.2009 (3 AZR 17/09) ist die Wertgleichheit bereits bei Abschluss der Entgeltumwandlung zu prüfen. Umwandlungsbetrag und Leistungen müssen sich bei „objektiver wirtschaftlicher Betrachtung“ entsprechen, mithin gleichwertig sein. Danach sind die jeweils aktuellen Bedingungen des Marktes und aktuell insbesondere auch das Niedrigzinsumfeld für die Wertgleichheit entscheidend. Für die versicherungsförmigen Durchführungswege, wie beispielsweise die Direktversicherung, wird nach Auffassung des BAG durch das vollständige Abführen der Beiträge an die jeweilige Versorgungseinrichtung der Wertgleichheit genüge getan. Auch Vertriebs- und Abschlusskosten können hierbei berücksichtigt werden, sofern sie den Vorgaben der Versicherungsaufsicht und dem Versicherungsvertragsrecht entsprechen (Biedlingmeier, Lapp, Kompass 2/2021, Seite 103).
Neben der Wertgleichheit muss auch das vom BAG entwickelte Merkmal der „Werthaltigkeit“ erfüllt sein. Das BAG entwickelte den Begriff der Werthaltigkeit aus dem Verbot der unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers, § 307 Abs. 1 BGB. Wie hoch diese Werthaltigkeit sein muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Auch liegt dazu keine definitive Entscheidung der Gerichte vor. Die Tendenz in Rechtsprechung und Literatur geht aber davon aus, dass mindestens 50 Prozent der Nettobeitragssumme erforderlich seien, weil nur so eine werthaltige Versorgungsleistung gewährleistet werden kann (Doetsch, BetrAV 2018, 342; Biedlingmeier, Lapp, Kompass 2/2021, Seite 106).
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir bei der Entgeltumwandlung einen Tarif mit einem möglichst hohen Garantieniveau.
Praxistipps:
- Die Versorgungsordnung, Betriebsvereinbarung beziehungsweise die Entgeltumwandlungsvereinbarung eines Arbeitgebers sollte die Zusageart BOLZ benennen.
- Arbeitnehmer sollten ausdrücklich bestätigen, dass sie über das abgesenkte Garantieniveau informiert wurden. Das kann in der Entgeltumwandlungsvereinbarung oder im Beratungsprotokoll erfolgen.
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