Meinung des Monats: PFAS-Ausschluss in Haftpflichtverträgen? Eine Forderung zur Unzeit!
Im Gebäude des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hallt derzeit ein Schlagwort laut durch alle Räume: PFAS-Verbot. Das von der EU geplante generelle Verbot von rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) würde ganze Produktionsprozesse im Maschinen- und Anlagenbau gefährden. Derzeit befindet sich der Vorschlag allerdings noch in der Bewertungsphase und ist noch lange nicht entscheidungsreif. Dennoch fordern einige Haftpflichtversicherer bereits jetzt einen vollständigen PFAS-Ausschluss.
PFAS steht für eine Gruppe von mehreren tausend stabilen Chemikalien, die wasser-, schmutz- und fettabweisend sind. Sie finden sich daher in vielen Verbraucherprodukten wie Kochgeschirr, Textilien, Papierbeschichtungen oder Skiwachs. In der industriellen Produktion werden PFAS-Stoffe in großem Umfang in Querschnittstechnologien, etwa als Dichtungen und Kabelummantelungen, verbaut. Sie sind damit unverzichtbar für Bauteile, die praktisch in jeder Maschine stecken.
Geplantes PFAS-Verbot in der EU
Einige PFAS-Stoffe können schädlich sein, wenn sie in die Umwelt gelangen. Behörden aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten haben daher einen Vorschlag zur Beschränkung von PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Interessierte Kreise konnten bis zum 25. September 2023 Stellung nehmen. Auf Basis dieser Konsultationsbeiträge erstellt die ECHA nun eine Bewertung der vorgeschlagenen Beschränkung. Hierfür hat sie zwölf Monate Zeit. Erst danach wird über eine mögliche Beschränkung und deren Umfang entschieden. Ein PFAS-Verbot wird somit frühestens 2025 in Kraft treten.
Generalverbot ist wenig durchdacht
Mit einem pauschalen Verbot von rund 10.000 PFAS-Industriechemikalien, das sowohl gefährliche als auch ungefährliche Stoffe umfasst, schießt die EU weit über das Ziel hinaus. Unverzichtbare Bauteile wie Dichtungen wären betroffen und damit viele Alltagsprodukte. Auch für wichtige Technologien der Energiewende sind PFAS-Stoffe oft unersetzlich. Sie kommen beispielsweise bei der Herstellung von Windkraftanlagen, Brennstoffzellen, Solaranlagen oder Wärmepumpen zum Einsatz.
Der VDMA fordert daher zu Recht Ausnahmeregelungen für Fluorpolymere und für PFAS, die sich in Maschinen befinden und nicht in direktem Kontakt mit der Umwelt stehen. „Komponenten, die tief im Inneren einer Maschine verbaut sind und ordentlich entsorgt werden, dürfen nicht mit Teflonpfannen oder Skiwachsen gleichgesetzt werden“, stellte VDMA-Expertin Sarah Brückner kürzlich klar.
Haftpflichtversicherer fordern PFAS-Ausschluss
Die Diskussion um das drohende PFAS-Verbot wird nun von einigen Haftpflichtversicherern weiter angeheizt. Mehrere Versicherer sind bereits mit der Forderung an uns herangetreten, Haftpflichtansprüche wegen PFAS-bedingter Schäden aus den Versicherungsverträgen auszuschließen. Die vorgelegten Musterklauseln umfassen alle per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen und hätten einen vollständigen PFAS-Ausschluss zur Folge.
Dafür haben wir als Versicherungsmakler für den Maschinen- und Anlagenbau und Tochterunternehmen des VDMA aktuell keinerlei Verständnis, bestätigt auch die Haftpflichtspezialistin Claudia Sedlacek-Dechert. Bisher liegt lediglich ein Vorschlag für eine EU-weite Beschränkung von PFAS-Stoffen vor, der noch nicht einmal die wissenschaftliche Begutachtung durchlaufen hat. Jetzt einem PFAS-Ausschluss zu fordern, kann daher nur als vorschnelle Überreaktion gewertet werden.
Auf der Fachtagung des Gesamtverbandes der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) im September haben wir die Haftpflichtversicherer zu einem Risikodialog mit Experten des VDMA eingeladen, um sich ein konkretes Bild über den Einsatz von PFAS-Stoffen im Maschinen- und Anlagenbau zu machen. Diese Einladung möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich wiederholen. Es wäre unverantwortlich gegenüber der Industrie, voreilig und ohne Detailkenntnisse einen Ausschluss zu fordern. Ein konstruktiver Dialog ist jetzt das Gebot der Stunde.
Ihr Birger Jeurink