Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat eine neue Musterklausel vorgeschlagen, mit der sich PFAS-Risiken künftig vollständig vom Versicherungsschutz ausschließen lassen. Dieser Totalausschluss konterkariert den bisherigen Risikodialog zwischen Industrie und Versicherern und stellt Versicherungsnehmer vor große Herausforderungen. Der Kommentar beleuchtet die vorgeschlagene Klausel, ordnet sie juristisch ein und hinterfragt ihre Folgen für den Maschinen- und Anlagenbau.
In einer Pressemitteilung mit dem Titel „PFAS: Industrieversicherer schaffen Klarheit über Risiken von Ewigkeitschemikalien“ hat der GDV am 15.04.2025 zur zukünftigen Versicherbarkeit von PFAS-Risiken (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) Stellung bezogen. Tatsächlich geht es in der Veröffentlichung jedoch weniger um Klarheit als vielmehr um eine neue Klausel in den GDV-Musterbedingungen, mit der Versicherer einen Totalausschluss festlegen können. So heißt es in der Pressemitteilung:
Um das Risiko per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen besser erkennen, kalkulieren und auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß begrenzen zu können, fügt der GDV seinen unverbindlichen Musterbedingungen eine neue Vertragsklausel hinzu. Sie kann bei Bedarf in Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie Umweltrisikoversicherungen ergänzt werden.
Konkret wird für die neue Vertragsklausel folgender Wortlaut vorgeschlagen:
Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die unmittelbar oder mittelbar auf PFAS zurückzuführen sind. PFAS sind fluorierte Substanzen, die mindestens eine vollständig fluorierte Methyl- oder Methylen-Gruppe (ohne daran gebundenes Wasserstoff-, Chlor-, Brom- oder Iod-Atom) enthalten.
Wiedereinschlussklausel (fakultativ)
Dieser Ausschluss gilt nicht für …
Zum Totalausschluss:
Der Ansatz eines umfassenden Ausschlusses ist alles andere als mutig. Allerdings ist dem GDV zugute zu halten, dass er für die Interessen der Versicherer, die er vertritt, in der Tat eine sehr klare Regelung findet: „Wenn es um PFAS geht, ist erst einmal nichts versichert.“ Damit ebnet der GDV der versicherungsgebenden Wirtschaft den Weg für eine äußerst bequeme Lösung. Dabei bleiben jedoch die vom vorgeschlagenen Totalausschluss erheblich betroffenen Versicherungsnehmer völlig außen vor – die Interessen der Industrie an umfassendem Versicherungsschutz werden schlichtweg nicht berücksichtigt. Daran ändert auch der Versuch des GDV nichts, die neue Regelung möglichst positiv zu verkaufen: „Um das Risiko per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen besser erkennen, kalkulieren und auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß begrenzen zu können.“
Der Vorschlag des GDV konterkariert zudem die zuvor geführten Risikodialoge zwischen Industrie und Versicherern. Erst im vergangenen Jahr hatten Experten des VDMA e. V. und seines Tochterunternehmens VSMA GmbH in mehreren Dialogrunden mit Rück- und Erstversicherern die Versicherbarkeit von PFAS-Risiken diskutiert. Gemeinsam wurden so differenzierte Lösungsansätze gefunden, die die Interessen der Industrie und der Versicherer berücksichtigen. Auch mit dem GDV trafen sich Vertreter des VDMA und der VSMA. Dabei kam man überein, den Austausch zu intensivieren und regelmäßige Treffen zu organisieren, um aktuelle Entwicklungen zu PFAS zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Angesichts dieser von allen Seiten gelobten Risikodialoge zwischen versicherungsgebender und -nehmender Wirtschaft erscheint der jetzige GDV-Vorstoß daher ebenso überraschend wie fragwürdig.
Zum Wiedereinschluss:
Anders als bei der Ausschlussklausel bleibt der GDV bei der fakultativen Wiedereinschlussklausel völlig vage. In wessen Spielfeld liegt damit der Ball?
Für die Ausnahmen vom Ausschlusstatbestand (Wiedereinschluss), bei deren Vorliegen der Ausschlussgrund entfällt, trägt der Versicherungsnehmer im Schadenfall die Beweislast. Letztlich trägt damit der Versicherungsnehmer – zusammen mit seinem Versicherungsmakler – die Verantwortung für eine rechtssichere Umsetzung und muss zum Beispiel folgende Fragen für sich beantworten:
- Was soll genau wieder eingeschlossen werden (Produkte, Produktbestandteile et cetera)?
- Muss etwa ein Maschinenbauer, der Schmieröle verwendet, zukünftig die genaue Stoffliste seiner Zulieferer kennen, um damit dann mit seinem Versicherer einen Wiedereinschluss verhandeln zu können?
- Muss der Zulieferer eines Schmierstoffs Betriebsgeheimnisse gegenüber seinem Abnehmer offenbaren, damit dieser mit der Stoffliste von seinem Versicherer Versicherungsschutz über einen Wiedereinschluss erhält?
Erstversicherer betonen immer, dass sie ihre Kunden verstehen wollen. Ein legitimes und eigentlich selbstverständliches Interesse. Sie sollten aber – auch in Kooperation mit den Rückversicherern – gerade bei diesem Thema den besseren Überblick über die zu versichernden Gesamtzusammenhänge haben und Branchenrisiken durch PFAS besser beurteilen können, als es ein einzelner Versicherungsnehmer in seinem „Mikrokosmos“ kann.
Fazit:
Die Regelung des GDV ist nur für eine Seite klar und eindeutig: für die der Versicherer. Versicherungsnehmer werden durch den Totalausschluss und das gleichzeitige Nichtvorhandensein einer Lösung für Wiedereinschlüsse mit den PFAS-Risiken allein gelassen. Schließlich muss sich auf Basis des GDV-Vorschlags nun der Versicherungsnehmer darum kümmern, möglichst klare und beweisbare Wiedereinschlusstatbestände zu formulieren.
Aber auch für die Versicherer dürfte die Freude über den vermeintlich bequemen Weg nur kurz währen. Wenn die Versicherungsnehmer jetzt möglichst umfassenden individuellen PFAS-Versicherungsschutz einfordern, wird das Underwriting auf Versichererseite entsprechend gefordert sein. Gerade in Zeiten von knappen Personalressourcen sind Engpässe zu befürchten.
Man kann nur hoffen, dass der GDV-Vorstoß, ähnlich wie vor 20 Jahren, als die Nichtversicherbarkeit von Nanotechnologie zur Debatte stand, nach kurzer Zeit wieder aus der Diskussion verschwindet. Damals wurde trotz – oder gerade wegen – der fehlenden naturwissenschaftlichen, versicherungstechnischen und versicherungsrechtlichen Erfahrungen mit Nanotechnologie ebenfalls ein hohes Risikopotenzial der bereits im globalen Maßstab verbreiteten Technologie gesehen. Bewahrheitet haben sich die damals hoch diskutierten Risiken bis heute nicht.
Beitragsbild: Megane Ad / Shutterstock
Autor:
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler steht der VSMA GmbH seit Mitte des Jahres 2020 als juristischer Berater bei haftungs- und versicherungsrechtlichen Themen zur Seite. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Bearbeitung von Sach-/BU- und Produkthaftungsschäden vor allem Fälle im Bereich der D&O- und VSV-Versicherung sowie der dazugehörigen Managerhaftung.