Industrie 4.0 steht für die intelligente Vernetzung vielfältiger Bereiche sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg. In der intelligenten Fabrik organisieren und kontrollieren sich Maschinen und Produkte, Lagersysteme und Betriebsmittel selbständig in echtzeitfähigen IT-Systemen. Der Mensch wird dabei nicht von der Technik ersetzt, sondern ergänzt sie mit seinen Fähigkeiten. Ziele von Industrie 4.0 sind unter anderem eine Produkt-Flexibilisierung, um kundenzentrierte Lösungen effektiver zu realisieren. Durch die Optimierung der Logistik mittels fortlaufender Analyse vorliegender Daten besteht die Möglichkeit, die Automatisierungsprozesse und deren Kosten zu senken. Hieraus ergeben sich auch mögliche Schadensfälle. Dabei wird ein Schadenfall in Zukunft zunehmend mehrere Versicherungssparten gleichzeitig treffen. Auch die Identifizierung der Schadenverantwortlichen wird sehr viel schwieriger, was Herausforderungen an den Haftpflichtversicherungsschutz zur Folge haben wird. „Die Schadenabwicklung wird sicherlich komplizierter“, prognostiziert Jürgen Seiring, Geschäftsführer der VSMA. Die Wahrscheinlichkeit von Betriebsunterbrechungsschäden wird sich aufgrund der virtualisierten Wertschöpfungskette mit ihren vernetzten Systemen gleichfalls erhöhen. Auch kann sich die Wiederherstellung der gesamten Anlage aufgrund der komplexen Ursachensuche, der Substitution zerstörter Maschinen, Anlagen, Netzwerke und Kommunikationswegen deutlich verzögern. Seiring erläutert dies an nachfolgenden beiden Schadenbeispielen:

  1. Die Milchmädchenrechnung

Der Versicherungsnehmer ist Anlagenbauer. Er wird von einer Molkerei mit einer Modifizierung einer bestehenden Anlage beauftragt, welche er nicht selbst geliefert hat. Es wird vereinbart, dass die Anlage eine bestimmte Kühlkapazität erreicht. Der Versicherungsnehmer modifiziert die Anlage durch Einbau eigener Ersatzteile. Nach Abnahme der Anlage zeigt sich noch innerhalb der Gewährleistungszeit, dass die Anlage die geschuldete Kühlkapazität an warmen Tagen nicht erreicht. Grund hierfür ist ein Berechnungsfehler des Versicherungsnehmers. Die vom Versicherungsnehmer eingefügten Ersatzteileile im Höhe von EUR 17.000,00 werden durch die fehlerhafte Konstruktion beschädigt. Die Molkerei kann daher an warmen Tagen (insgesamt 58 Tage) nur mit gedrosselter Kapazität produzieren. Es entstehen Mehrkosten in Höhe von EUR 480.000,00. Die übrige Anlage wird ebenfalls beschädigt und muss aufwändig für EUR 180.000,00 repariert werden. Die Molkerei fordert die Nachbesserung der eingefügten Ersatzteile sowie Schadenersatz für die Mehrkosten und Reparatur der Anlage.

Lösung

Herkömmliche Versicherungsschutzkonzepte:

  • Kein Versicherungsschutz für Schäden an der vom Versicherungsnehmer eingefügten Ersatzteile d.h. der Reparatur
  • Kein Versicherungsschutz für die Kosten der Nachbesserung, d.h. der Anpassung der Anlage zur Erreichung der vereinbarten Kühlkapazität
  • Kein Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen des Vermögensschadens aufgrund der Minderleistung an warmen Tagen
  • Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen der Beschädigung der übrigen Anlage

Entschädigung durch den Versicherer: EUR 180.000,00

 

VDMA Industrie 4.0 Deckungsbaustein für den Maschinen- und Anlagenbau:

  • Kein Versicherungsschutz für Schäden an der vom Versicherungsnehmer eingefügten Ersatzteile d.h. der Reparatur
  • Kein Versicherungsschutz für die Kosten der Nachbesserung, d.h. der Anpassung der Anlage zur Erreichung der vereinbarten Kühlkapazität
  • Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen des Vermögensschadens aufgrund der Minderleistung an warmen Tagen
  • Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen der Beschädigung der übrigen Anlage

Entschädigung durch den Versicherer: EUR 660.000,00

 

  1. Smart daneben

Der Versicherungsnehmer stellt smarte Getriebe her, die er an Hersteller von Werkzeugmaschinen liefert. Die Getriebe werden in Werkzeugmaschinen verbaut. Der Käufer der Werkzeugmaschinen kann verschiedene Getriebedaten wie Temperatur, Vibration, Betriebszeit, Beschleunigung und produktspezifische Informationen des Getriebes abrufen. Dies ermöglicht, die Instandhaltung der Getriebe zu optimieren, Getriebeschäden bis hin zu Maschinenstillständen zu minimieren. Durch einen Softwarefehler erkennt ein Getriebe den Verschleiß nicht rechtzeitig und es kommt zu einem Ausfall einer Maschine. Der Maschinenausfall führt zu einem Produktionsausfall von 5 Monaten in Höhe von EUR 1.650.000,00. Der Käufer der Werkzeugmaschine macht beim Maschinenbauer Schadensersatz geltend. Der Hersteller der Werkzeugmaschine macht daraufhin im Regressweg Schadensersatz beim Versicherungsnehmer der smarten Getriebe geltend.

Lösung

Herkömmliche Versicherungsschutzkonzepte:

  • Kein Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen des Vermögensschadens aufgrund des Produktionsausfalls. Der Ausschluss gemäß der Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) umfasst auch die sich daraus ergebenden Vermögensschäden (Produktionsausfall)

Entschädigung durch den Versicherer: Keine


VDMA Industrie 4.0 Deckungsbaustein für den Maschinen- und Anlagenbau:

  • Versicherungsschutz für die Schadensersatzforderung wegen des Vermögensschadens aufgrund des Produktionsausfalls

Entschädigung durch den Versicherer: EUR 1.650.000,00

 

Im Rahmen der Prüfung der Haftung über die Regresskette würde der Versicherer sämtliche Vertragsbeziehungen prüfen, erläutert Seiring. Dies aber nur dann, wenn der Deckungsbaustein Industrie 4.0 vereinbart gilt. Die neuartige Versicherungslösung bietet einen sehr weitgehenden Versicherungsschutz für die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer wegen einer mangelhaften Leistung auf Ersatz eines Vermögensschadens in Anspruch genommen wird. Der Versicherer übernimmt – im Rahmen der übrigen Vertragsbestimmungen – nicht nur den Ausgleich berechtigter Ansprüche. Über die Rechtsschutzfunktion des VDMA Deckungsbausteins Industrie 4.0. ist auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche abgedeckt. Der VDMA bietet seinen Mitgliedsunternehmen mit dem Deckungsbaustein Industrie 4.0 somit eine bisher auf dem Markt einzigartige Versicherungslösung, die die Risiken der Digitalisierung abmildert.

Beitragsbild: Gorodenkoff / Shutterstock

Kontakt:
Claudia Sedlacek-Dechert
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
Telefon +49 69 6603-1758
csedlacek@vsma.org

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