Produktfehler und Rückrufaktionen können immense Kosten und hohen organisatorischen Aufwand verursachen. Besonders in der Automobilindustrie sind Rückrufe keine Seltenheit. Auch der Maschinen- und Anlagenbau kann von diesen Risiken betroffen sein. Im Rahmen eines vorausschauenden Risikomanagements sollte daher genau geprüft werden, inwieweit eine gezielte Rückrufkostendeckung eine sinnvolle Ergänzung des Versicherungsschutzes darstellt.

Die Automobilindustrie steht derzeit wegen der vorzeitigen Abschaffung der Umweltprämie im Dezember 2023 und den gestiegenen Energiekosten unter großem Druck. Lohnkürzungen, Stellenabbau und gegebenenfalls Werksschließungen sind die Folge – wie das aktuelle Beispiel von VW zeigt. Hinzu kommt, dass die Produktentwicklungszyklen in der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren deutlich verkürzt wurden. Aufgrund der starken Wettbewerbssituation verkürzen und automatisieren die Hersteller die Testzyklen und bringen ihre Modelle in immer kürzeren Zeitabständen an den Markt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Fahrzeugrückrufe in den letzten Jahren gestiegen ist.

Erfahrungen aus der Automobilindustrie: Produktfehler und ihre Folgen
Gerade in der Automobilindustrie können Produktfehler schwerwiegende Folgen haben. Drei Beispiele aus den letzten Jahren:

  • General Motors wurde 2014 ein Materialfehler in den Zündschlössern zum Verhängnis. Dieser führte dazu, dass sich die Motoren während der Fahrt abschalteten und Servolenkung, Bremsen und Airbags ausfielen. Der Defekt führte zu zahlreichen Unfällen, bei denen 124 Menschen ums Leben kamen. Die Kosten für General Motors beliefen sich auf 4,1 Milliarden Euro.
  • Honda hatte im Jahr 2017 bei circa 1 Million Fahrzeugen unsachgemäß geschweißte Kraftstofftanks verbaut. Diese wurden undicht und stellten ein erhebliches Brandrisiko dar. Honda sind dadurch Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro entstanden.
  • Toyota bemerkte 2022 ein Problem mit fehlerhaften Schweißnähten an den vorderen Kotflügeln. Diese konnten sich während der Fahrt lösen und schwere Unfälle verursachen. Betroffen waren 14.777 Einheiten, die vom Markt genommen und repariert werden mussten.

Wie diese Beispiele zeigen, kann es trotz Tests und Qualitätssicherungsmaßnahmen immer wieder vorkommen, dass ein mangelhaftes Produkt einen Rückruf erforderlich macht. Aber nicht immer wird der Rückruf offen in der Presse kommuniziert. Häufig werden solche Reparaturen auch im Rahmen von Inspektionen durchgeführt, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Hier spricht man von sogenannten „stillen Rückrufen“. Experten schätzen, dass circa 65 Prozent der Rückrufe in der Automobilindustrie „stille Rückrufe“ sind.

Wird ein Produktrückruf notwendig, fallen neben den Kosten für die eigentliche Reparatur verschiedene weitere Positionen an. So müssen beispielsweise alle Fahrzeughalter persönlich per Einschreiben über die Rückrufaktion informiert werden. Darüber hinaus ist die Schaltung von Anzeigen in der Presse notwendig, um öffentlichkeitswirksam über den Rückruf zu informieren.

Stellt sich heraus, dass der Automobilhersteller nicht schuld an dem mangelhaften Zulieferteil ist, werden die Ansprüche an den nächsten Vertragspartner in der Lieferkette (TIER 1) weitergereicht. Liegt auch hier kein Verschulden vor, wird der nächste Vertragspartner in der Lieferkette (TIER 2) in Anspruch genommen und so weiter. Im obigen Beispiel von General Motors wäre beispielsweise der Hersteller der Zündschlösser höchstwahrscheinlich der Zulieferer, der sich mit den Ansprüchen auseinandersetzen muss.

Absicherung durch eine Rückrufkostendeckung
Um die erheblichen finanziellen Risiken einer Rückrufaktion abzusichern, empfiehlt sich der Abschluss einer speziellen Rückrufkostenversicherung. Im Rahmen dieser Deckung werden in der Regel folgende Kosten erstattet:

  • Kosten für die Benachrichtigung von Endverbrauchern, Händlern und Werkstätten,
  • Kosten für die Medienberichterstattung über den Rückruf (Rundfunk und Presse),
  • Kosten für den Austausch mangelhafter Produkte,
  • Überprüfungskosten,
  • Entsorgungskosten.

Eine solche Rückrufkostendeckung ist nicht nur für Automobilhersteller eine sinnvolle Ergänzung des Haftpflichtversicherungsschutzes. Aufgrund der Möglichkeit, Ansprüche entlang der Lieferkette weiterzugeben, ist sie auch für jeden Zulieferer mit Berührungspunkten zur Automobilindustrie empfehlenswert.

Rückrufkostendeckung im Maschinen- und Anlagenbau
Auch die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus können mit einer Rückrufaktion konfrontiert werden. Nach dem Produktsicherheitsgesetz ist jeder Hersteller, Importeur und Händler verpflichtet, seine Produkte zurückzurufen und gegebenenfalls weitere schadenverhütende Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Gefahr von Personenschäden besteht. Darüber hinaus ist auch die Aufsichtsbehörde berechtigt, derartige Maßnahmen anzuordnen.

Eine Rückrufkostendeckung kann daher auch im Maschinen- und Anlagenbau durchaus sinnvoll sein. In der üblichen Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung werden nur Personen- und Sachschäden ersetzt, die durch das fehlerhafte Produkt verursacht wurden. Die oben genannten Vermögensschäden (Rückrufkosten) müssen dagegen entweder durch einen separaten Vertrag oder durch eine Mitversicherung als Annex zur Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung abgesichert werden.

Fazit
Rückrufaktionen können erhebliche Kosten verursachen, die nur durch eine passgenaue Rückrufkostendeckung abgedeckt werden können. Wir empfehlen daher jedem Maschinen- und Anlagenbauer eine sorgfältige Risikoabwägung, ob eine solche Deckung nicht eine sinnvolle Ergänzung des betrieblichen Versicherungskonzepts darstellt.

 

Beitragsbild: jd8 / Shutterstock

Kontakt:
Frau Claudia Sedlacek-Dechert
VSMA GmbH – ein Unternehmen des VDMA
Telefon +49 69 6603-1758
csedlacek[at]vsma.org

image_pdfPDFimage_printDrucken