Eine elementare Frage: Pflicht oder keine Pflicht?

Im Dezember 2023 standen die Einsatzkräfte hierzulande wieder knietief im Hochwasser. Die Debatte um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist damit erneut in den Fokus gerückt – zu Recht! Viele Betroffene sind unzureichend versichert, was die Volkswirtschaft belastet. Gleichzeitig kämpfen Betriebe um adäquaten Deckungsschutz, da die steigenden Klimarisiken zu einer Kapazitätsverknappung führen. Politik und Versicherungswirtschaft müssen jetzt an einem Strang ziehen, um schnell eine tragfähige Lösung zu finden.

Die Klimakrise ist kein zukünftiges Ereignis – Sie findet hier und jetzt statt. Im Dezember und Januar waren erneut mehrere Bundesländer von Hochwasser betroffen. Betroffene, Politik und Versicherer fragen sich gleichermaßen, wer für die Schäden aufkommt. Nur 46 Prozent der Hausbesitzer in Deutschland sind gegen Elementargefahren versichert. In der Industrie ist die Quote – zum Teil unfreiwillig – noch geringer. Für den Wiederaufbau im Ahrtal wurde 2021 ein Sondervermögen in Höhe von 30 Milliarden Euro eingerichtet. Solche Belastungen kann selbst eine vergleichsweise wohlhabende Volkswirtschaft auf Dauer nicht schultern. Die Diskussion über eine Pflichtversicherung ist daher richtig und wichtig. Nichthandeln ist die teuerste Option.

Versicherbarkeit von Betrieben in Risikogebieten problematisch
Bei den Mitgliedsunternehmen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) steigt die Nachfrage nach einer Absicherung gegen Naturgefahren. Die Bereitschaft der Versicherer, entsprechende Deckungen anzubieten, ist jedoch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. In gefährdeten Gebieten erhalten Unternehmen oft keinen oder nur sehr teuren Versicherungsschutz. Wie mir unser Leiter Spartenkoordination Patrick Römer berichtet, wird es zudem immer schwieriger, adäquate Höchstentschädigungen einzukaufen und neben dem Gebäude auch die Betriebseinrichtung oder eine Betriebsunterbrechung mitzuversichern. Wir brauchen daher dringend eine Neuregelung, die eine flächendeckende, bezahlbare Absicherung – auch für die Industrie – sicherstellt.

Meinungen zur Pflichtversicherung gehen weit auseinander
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht, der politische Streit geht weiter. Die einen wollen eine Versicherungspflicht, die anderen nicht, weil sie die Wohnkosten in die Höhe treiben würde. Dazwischen liegt ein Vorschlag der Union, der eine obligatorische Elementarversicherung vorsieht, die aber individuell abwählbar ist. Nicht die schlechteste Idee, wie ich finde.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lehnt eine Pflichtversicherung ab, wenn sie nicht in ein Gesamtkonzept aus Prävention, Klimafolgenanpassung und Katastrophenvorsorge eingebettet ist. Ein wichtiger Appell, wie die jüngste Forderung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nach mehr Geld für den Katastrophenschutz zeigt. Überfällig ist auch eine wesentlich kritischere Bauplanung in gefährdeten Gebieten – dort sollten keine Baugenehmigungen für Neubauten erteilt werden.

„Assurance Catastrophes Naturelles“ oder Extremus-Versicherung als Vorbilder?
Das Klima schert sich nicht um die Debatte. Im Januar versanken hier auch Regionen im Winterchaos, die sonst eher selten Schnee sehen. Ein weiteres Indiz dafür, dass wir uns eine langwierige Diskussion über die Elementardeckung nicht leisten können. Also: weniger Debatten, mehr gemeinsame Lösungen, bitte. Ideen dafür liegen bereits auf dem Tisch. Zum Beispiel könnte eine obligatorische Elementarversicherung mit individueller Abwahlmöglichkeit – auch für Industrie und Gewerbe – ein guter Mittelweg sein. So erhalten diejenigen, die sich absichern wollen, ihren Deckungsschutz, und die anderen behalten ihre Handlungsfreiheit.

Hinzukommen sollte eine Form der staatlichen Rückdeckung. Dafür gibt es bereits Vorbilder. In Frankreich gibt es zum Beispiel die „Assurance Catastrophes Naturelles“, eine solidarische Multirisiko-Versicherung, die eine obligatorische private Sachversicherung mit einer staatlichen Rückversicherung kombiniert. Dieses System musste seit 1982 nur einmal mit 263 Millionen Euro subventioniert werden – ein Klacks im Vergleich zu dem hier 2021 eingerichteten Sondervermögen.

Für betriebliche Versicherungen wäre auch ein Modell nach dem Vorbild der Extremus-Versicherungs-Aktiengesellschaft denkbar (öffentlich-private Partnerschaft). Lösungsansätze sind also vorhanden. Jetzt muss eine politische Einigung gefunden werden. Möglichst vor der nächsten großen Hochwasserkatastrophe.

 

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Kolumnist:

Birger Jeurink

Geschäftsführer VSMA GmbH