Die betriebliche Altersversorgung (bAV) muss attraktiver werden!

Das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt kontinuierlich. Das müsste der betrieblichen Altersversorgung (bAV) Auftrieb geben. Leider ist das Gegenteil der Fall. Nur noch 40 Prozent der Mitarbeitenden sorgen mit einer Betriebsrente fürs Alter vor, und die Quote fällt weiter. Kein Wunder: Aktuell können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der bAV nicht individuell über ihre Anlagestrategie und die damit verbundenen Renditechancen entscheiden – der Vertrag wird vom Arbeitgeber vorgegeben. Hinzu kommen hohe Abgaben in der Auszahlungsphase, die die Rentabilität schmälern.

Bereits zu Beginn der Industrialisierung gründeten einzelne Unternehmen Versorgungswerke, um die Alterssicherung zu verbessern und die Mitarbeitenden an sich zu binden. Diese Doppelfunktion ist auch heute noch hochaktuell. Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) klagen rund 71 Prozent der Unternehmen über Fachkräftemangel. Im nationalen und internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe spielen attraktive Benefits wie die bAV daher eine wichtige Rolle. Auch als Säule der Altersvorsorge in Deutschland ist die Betriebsrente heute wichtiger denn je, um die wachsenden Versorgungslücken in der Bevölkerung flächendeckend zu schließen.

Hohe Abgaben und unattraktive Anlagen
Die bisherigen bAV-Reformen zeigen wenig Wirkung, die Zahlen sind rückläufig. Unseren Leiter Vorsorgemanagement, Marc Widmayer, wundert das nicht: „Die Politik ignoriert bei ihren Reformen die Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wir für die bAV begeistern sollen“. Das größte Problem: Bei der Anlagestrategie haben die Mitarbeitenden kaum eine Wahl. Der Arbeitgeber gibt den Vertrag vor und entscheidet sich meist für konservative Anlagen mit eher geringen Renditechancen. Verständlich, denn nach Paragraph 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz haftet er subsidiär, wenn die Leistungen eines externen Versorgungsträgers hinter den Zusagen zurückbleiben. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für die Chance auf höhere Renditen ein größeres Risiko eingehen wollen, ist dieses Modell allerdings wenig attraktiv.

Hinzu kommen hohe Abzüge in der Auszahlungsphase. Die Rente aus der bAV muss voll versteuert werden und oberhalb des Freibetrags wird zudem der volle Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig. Die Abgaben auf größere Betriebsrenten sind damit vergleichsweise hoch. Laut Stiftung Warentest lohnt sich die bAV daher vor allem dann, wenn der Arbeitgeber mehr als die vorgeschriebenen 15 Prozent zuschießt. Auch hierauf haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch naturgemäß nur bedingt Einfluss.

Reformen müssen Zielgruppe abholen
Das große Potenzial der bAV wird derzeit nicht ausgeschöpft. Um die Nachfrage zu steigern brauchen wir dringend Reformen, die diese Vorsorgelösung wieder attraktiver machen – und zwar aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich eben für oder gegen eine bAV entscheiden.

Ein erster „Quick-Win“ wäre bereits die freie Vererbbarkeit der bAV. Es ist nicht mehr zeitgemäß und für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschreckend, dass die bAV nur an Ehegatten, eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, namentlich benannte Lebensgefährten (bei gemeinsamer Haushaltsführung) und unterhaltsberechtigte Kinder vererbt werden kann.

Auch die Abgaben gehören auf den Prüfstand. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sollten nur zu 50 Prozent fällig werden. Dies dürfte der Verbreitung der bAV einen deutlichen Schub geben. Die Mindereinnahmen im Gesundheitssystem sind dafür ein lohnender Preis, der langfristig geringer ausfallen könnte als gedacht. Denn eine zunehmende Zahl von Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentnern bringt wieder neue Einnahmen – und senkt gegebenenfalls sogar die derzeit stetig steigende Anzahl von Grundsicherungsempfängern im Rentenalter.

Last but not least: Der wichtigste Schritt zur Steigerung der Attraktivität der bAV ist der Verzicht auf die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers bei Durchführung der bAV über einen Versicherer. Nur wenn der Arbeitgeber „enthaftet“ wird, kann er mehr Wahlmöglichkeiten bei der Kapitalanlage einräumen. Das bringt frischen Wind in den Vorsorgemarkt und gibt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der bAV endlich das, was ihren Interessen entspricht: individuelle Lösungen, bei denen jeder selbst darüber entscheidet, ob zugunsten größerer Renditechancen ein höheres Risiko eingegangen werden darf – oder eben nicht.

 

 

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Kolumnist:

Birger Jeurink

Geschäftsführer VSMA GmbH