Im Haftpflichtprozess ist der Versicherungsnehmer auf eine rasche Deckungszusage des Versicherers angewiesen. In der Praxis wird diese jedoch häufig unter Berufung auf Sachverhaltsaufklärung verzögert oder nur unter Vorbehalt erteilt. Gerade in Zeiten knapper Personalressourcen ist dieses Szenario keine Seltenheit und hoffentlich der einzige Grund für die Zurückhaltung des Versicherers. Ein Überblick über die Rechtslage.

Deckungszusage
Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzverpflichtung) ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH ebenso wie die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche eine Hauptleistungspflicht. Es handelt sich dabei also nicht um eine nachrangige Nebenpflicht des Versicherers. Im Schadenfall hätte der Versicherungsnehmer am liebsten für beide Hauptpflichten unmittelbar eine Deckungszusage. Der konkrete Inhalt einer Rechtsschutzzusage ist durch Auslegung zu ermitteln. Sie kann in der Regel nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Versicherer stets auch Freistellung im Sinne des § 100 VVG verspricht (BGH VersR 2009, 1485).

Gesetzlich ist die Deckungszusage nicht geregelt. Wie jede Willenserklärung kann sie auch konkludent abgegeben werden. Die Deckungszusage wird als ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis seitens des Versicherers eingestuft (vergleiche BGH, Urteil vom 27.6.1953 – II ZR 176/52). Dies hat zur Folge, dass der Versicherer für die Zukunft mit solchen Einwendungen ausgeschlossen ist, die er im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bereits kannte oder bei gehöriger Prüfung hätte kennen müssen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 9.8.2021 – 8 U 1012/21, Leitsatz Nr.2).

Prüfungsfrist
Haftpflichtversicherer können ihre Verpflichtungen erst dann erfüllen, wenn sie ausreichende Informationen über den Schadenfall erhalten haben. Der BGH räumt dem Versicherer hierfür grundsätzlich eine Prüfungsfrist ein. In der Schadenpraxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass der Haftpflichtversicherer von seinem Auskunftsrecht zur Sachverhaltsaufklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer beziehungsweise der versicherten Person (sehr) großzügig Gebrauch macht.

Nach § 31 Absatz 1 VVG und etwaigen korrespondierenden vertraglichen Regelungen trifft den Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls eine Auskunftspflicht gegenüber dem Versicherer. Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer auf Verlangen jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Welche Auskünfte erforderlich sind, richtet sich nach der sehr versicherungsfreundlichen Rechtsprechung in erster Linie nach der Auffassung des Versicherers (BGH r+s 2006, 185, 186). Damit hat es der Versicherer grundsätzlich auch in zeitlicher Hinsicht in der Hand, wann die Prüfung für ihn abgeschlossen ist.

Dagegen stellt es keine ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsschutzverpflichtung dar, wenn der Versicherer sich gegenüber dem Versicherungsnehmer auf leistungsbefreiende Umstände beruft, ihn aber über die Frage der Deckungszusage im Unklaren lässt. Der Versicherer hat seine Entscheidung hierüber dem Versicherungsnehmer unverzüglich, spätestens aber dann mitzuteilen, wenn er die Anzeige von der gerichtlichen Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs erhalten hat. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht bekanntermaßen dringender Handlungsbedarf, weil dem Versicherungsnehmer allein wegen Fristablaufs Rechtsnachteile in Form eines Vollstreckungsbescheids oder eines Versäumnisurteils drohen. Deshalb muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt, gegebenenfalls unter dem Vorbehalt, sich je nach Ausgang des Haftpflichtprozesses auf Leistungsfreiheit zu berufen.

Gibt der Versicherer eine solche Erklärung nicht ab, kommt er seiner Pflicht zur Abwehr des Anspruchs nicht nach und gibt damit zugleich seine Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf. Solange er seiner Rechtsschutzverpflichtung nicht bedingungsgemäß nachkommt, ist er daher so zu behandeln, als habe er dem Versicherungsnehmer bei der Regulierung freie Hand gelassen. Die Obliegenheitsbindung des Versicherungsnehmers entfällt damit (BGH, Urteil vom 7.2.2007 – IV ZR 149/03, Rz. 17).

Deckungszusage unter Vorbehalt
Um ihre Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis nicht zu gefährden, bestätigen Versicherer die Deckung gerne unter dem Vorbehalt der endgültigen Prüfung nach Abschluss des Haftungsverfahrens. Der Prüfungsvorbehalt bezieht sich oft auf Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherer und Versicherungsnehmer. So wenden Versicherer zum Beispiel häufig ein, dass der Versicherungsschutz unter dem Vorbehalt gewährt wird, dass bestimmte Versicherungsausschlüsse – wie etwa die wissentliche Pflichtverletzung in der D&O-Versicherung – nicht erfüllt sind.

Sofern das Haftungsverfahren nach Auffassung des Versicherers Deckungsausschlüsse bestätigt, hat der Versicherungsnehmer die erhaltenen Leistungen an den Versicherer zurückzahlen. Damit trägt der Versicherer aber auch das Insolvenzrisiko, dass der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, etwaige zwischenzeitlich erbrachte Leistungen zurückzuzahlen. Da Haftungsprozesse unter Ausnutzung des vollen Instanzenzugs (LG, OLG, BGH) mehrere Jahre dauern, befindet sich der Versicherungsnehmer bei einer Deckungszusage unter Vorbehalt über Jahre in der Ungewissheit, ob sich das (existenzbedrohende) Risiko des Haftungsverfahrens realisiert.

Fazit
Im Haftpflichtprozess gilt der Grundsatz, dass der Versicherer die Interessen des Versicherten so zu wahren hat, wie dies ein von ihm beauftragter Rechtsanwalt tun würde (BGH, Urteil vom 7.2.2007 – IV ZR 149/03, Rz. 12). Darüber hinaus hat der Versicherer gemäß § 1a VVG im Schadenfall stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln. Der tatsächliche Umgang mit dem Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine zeitnahe Deckungszusage und dem umfassenden Auskunftsrecht des Versicherers steht dazu oft (zumindest gefühlt) im Widerspruch.

 

Beitragsbild: Prostock-studio / Shutterstock

Autor:
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler 
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler steht der VSMA GmbH seit Mitte des Jahres 2020 als juristischer Berater bei haftungs- und versicherungsrechtlichen Themen zur Seite. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Bearbeitung von Sach-/BU- und Produkthaftungsschäden vor allem Fälle im Bereich der D&O- und VSV-Versicherung sowie der dazugehörigen Managerhaftung.

www.ra-steinkuehler.de

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