Jeder Hundebesitzer kennt folgende Situation: Man geht mit seinem Vierbeiner spazieren, trifft auf einen Artgenossen und die beiden Hunde geraten aneinander. Der Hundehalter greift ein und wird vom anderen Hund gebissen. Häufig geht es dann darum, wer für die Folgen der Auseinandersetzung aufkommen muss; regelmäßig stehen Schmerzensgeldansprüche im Raum. Ein Überblick über die Rechtslage.
Die Haftung des Halters des schadenverursachenden Hundes auf Basis der Tierhaltergefährdungshaftung gemäß § 833 S. 1 BGB ist in der Regel unproblematisch. Es stellt sich jedoch die Frage, ob den in die Auseinandersetzung eingreifenden Hundebesitzer nicht ein Mitverschulden trifft.
Mitverschulden gemäß § 254 BGB
In diesen Fällen ist dem Geschädigten meistens kein Verschulden gegen sich selbst vorzuwerfen. § 254 Abs. 1 BGB ist daher nicht ohne weiteres direkt anwendbar. Aber auch wenn den Geschädigten selbst kein Verschulden trifft, erfolgt eine Abwägung der Verursachungsbeiträge analog § 254 Abs. 1 BGB, wenn auch auf seiner Seite eine spezifische Tiergefahr am Schadensereignis mitgewirkt hat. Eine Gefahr ergibt sich bei Hunden grundsätzlich aus der Unberechenbarkeit ihres tierischen Verhaltens. Daher müssen die Verursachungsbeiträge beider Beteiligten gegeneinander abgewogen und entsprechende Haftungsquoten gebildet werden. Neben den Verursachungsbeiträgen und dem Verschulden dürfen andere Kriterien, insbesondere reine Billigkeitsaspekte wie Vermögensverhältnisse, Versicherungsschutz, verwandtschaftliche Beziehungen oder die Anzahl der Haftungsgründe in aller Regel nicht berücksichtigt werden.
Auch die Rasse kann ein Abwägungskriterium sein. So ist nach Auffassung des Amtsgerichts Delmenhorst (BeckRS 2015, 19821) einem Wolfshund im Vergleich zu einem Jack Russell-Mischling aufgrund seiner Größe und seines Wesens eine höhere allgemeine Tiergefahr beizumessen. Ein Wolfshund sei im Falle einer Auseinandersetzung ohne Weiteres in der Lage, insbesondere kleineren Hunden erhebliche oder sogar tödliche Verletzungen zuzufügen, auch wenn Wolfshunde grundsätzlich als vergleichsweise gutmütige Hunde gelten.
Gerichtliche Entscheidungen zu den Haftungsquoten
Die Rechtsprechung ist bei der Bildung von Haftungsquoten zu Lasten des Geschädigten durchaus streng.
Das Landgericht Koblenz (Urteil vom 12.06.2023, Az. 5 O 38/21) ging von einem Mitverschulden des Klägers in Höhe von 50 Prozent aus, weil dieser in das Kampfgeschehen eingegriffen hatte, wobei letztlich nicht geklärt werden konnte, welcher Hund zugebissen hatte. Aus Sicht des Gerichts hätte ein „durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer“ in einer solchen Situation weder versucht, dem herbeilaufenden Hund den Weg zu verstellen noch hätte er nach diesem Maßstab in das Geschehen eingreifen dürfen. Das Schmerzensgeld belief sich letztlich auf EUR 4.000.
Das Oberlandesgericht Oldenburg (Hinweisbeschluss vom 03.09.2019, Az. 5 U 114/19) ging sogar von einem Mitverschulden von 80 Prozent aus. Die Klägerin müsse sich zum einen die Tiergefahr ihres eigenen Hundes zurechnen lassen, auch wenn diese geringer sei, als die Tiergefahr des Hundes, der sie gebissen habe. Daneben begründe aber auch ihr eigenes Verhalten ein Mitverschulden. Es sei in hohem Maße leichtfertig, in eine gefährliche Auseinandersetzung zweier angriffslustiger Hunde ohne Schutzvorrichtung einzugreifen. Das Schmerzensgeld belief sich letztlich auf EUR 800.
Fazit:
Auch wenn es für den Hundehalters oft eine sekundenschnelle, emotional geprägte Entscheidung ist, ob man in ein Kampfgeschehen zwischen Hunden eingreift oder nicht, verlangt die Rechtsprechung letztlich trotzdem eine wohlüberlegte Abwägung.
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Autor:
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler
Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler steht der VSMA GmbH seit Mitte des Jahres 2020 als juristischer Berater bei haftungs- und versicherungsrechtlichen Themen zur Seite. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Bearbeitung von Sach-/BU- und Produkthaftungsschäden vor allem Fälle im Bereich der D&O- und VSV-Versicherung sowie der dazugehörigen Managerhaftung.